Gesetz
zur Ausführung des Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien vom 30. Juni 1958
über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen,
Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen
[1]

Vom 26. Juni 1959
(BGBl. 1959 I S. 425, geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 1976, BGBl. 1976 I S. 3281) und Gesetz vom 22. Dezember 1997, BGBl. 1997 I S. 3224)

 

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

 

Erster Abschnitt.
Vollstreckbarerklärung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden

§ 1

(1)
Für die Vollstreckbarerklärung gerichtlicher Entscheidungen (Artikel 1, 6 ff. des Abkommens) und öffentlicher Urkunden (Artikel 14 des Abkommens) ist sachlich das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig, das für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs zuständig sein würde.

(2)
Örtlich zuständig ist das Gericht, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und beim Fehlen eines solchen das Gericht, in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners befindet oder die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll.


§ 2
Für die Vollstreckbarerklärung der in § 1 Abs. 1 genannten Schuldtitel gelten § 1063 Abs. 1 und § 1064 Abs. 2 und § 794 Abs. 1 Nr. 4 a der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2)
Dem Antrag soll die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften beigefügt werden.

(3)
Wird die mündliche Verhandlung angeordnet, so ist der Termin den Parteien von Amts wegen bekanntzumachen. Im Verfahren vor den Landgerichten soll die Bekanntmachung die Aufforderung gemäß § 215 der Zivilprozeßordnung enthalten.

(4)
Der Beschluß unterliegt der sofortigen Beschwerde. Die §§ 707, 717 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(5)
Für den Beschluß eines Oberlandesgerichts, der über die sofortige Beschwerde nach Absatz 4 entscheidet, gilt § 1065 der Zivilprozeßordnung entsprechend.


§ 3
Für die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen (Art. 13 des Abkommens) gelten § 1061 Abs. 1 und 2, §§ 1063 und 1064 der Zivilprozeßordnung. § 1062 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Oberlandesgerichts das Amts- oder Landgericht tritt, das für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs zuständig wäre. Im übrigen gilt für das Verfahren § 2 Abs. 2 bis 5 entsprechend.


§ 4
Hängt die Vollstreckung nach dem Inhalt der gerichtlichen Entscheidung, des Schiedsspruchs oder der öffentlichen Urkunde von dem Ablauf einer Frist oder von dem Eintritt einer anderen Tatsache ab oder wird die Vollstreckbarerklärung zugunsten eines anderen als des in der gerichtlichen Entscheidung, dem Schiedsspruch oder der öffentlichen Urkunde bezeichneten Gläubigers oder gegen einen anderen als den darin bezeichneten Schuldner nachgesucht, so ist die Frage, inwieweit die Vollstreckbarerklärung von dem Nachweis besonderer Voraussetzungen abhängig oder ob die Entscheidung für oder gegen den anderen vollstreckbar ist, nach belgischem Recht zu entscheiden. Ein solcher Nachweis ist durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zu führen, sofern nicht die nachzuweisenden Tatsachen bei dem Gericht offenkundig sind. Kann er in dieser Form nicht erbracht werden, so ist mündliche Verhandlung anzuordnen.


§ 5

(1)
In dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung einer gerichtlichen Entscheidung oder eines Schiedsspruchs kann der Schuldner auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlaß der gerichtlichen Entscheidung oder des Schiedsspruchs entstanden sind.

(2)
In dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung einer öffentlichen Urkunde kann der Schuldner Einwendungen gegen den Anspruch selbst ungeachtet der in Absatz 1 enthaltenen Beschränkung geltend machen.

(3)
Ist eine gerichtliche Entscheidung, ein Schiedsspruch oder eine öffentliche Urkunde für vollstreckbar erklärt, so kann der Schuldner Einwendungen gegen den Anspruch selbst in einem Verfahren nach § 767 der Zivilprozeßordnung nur geltend machen, wenn die Gründe, auf denen sie beruhen, erst

1. nach Ablauf der Frist, innerhalb deren er Beschwerde hätte einlegen können,

oder

2. falls die Beschwerde eingelegt worden ist, nach Beendigung dieses Verfahrens entstanden sind.

 

Zweiter Abschnitt. Aufhebung oder Abänderung der Vollstreckbarerklärung

 

§ 6

(1)
Wird eine gerichtliche Entscheidung, ein Schiedsspruch oder eine öffentliche Urkunde nach der Vollstreckbarerklärung in Belgien aufgehoben oder abgeändert und kann der Schuldner diese Tatsache in dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung nicht mehr geltend machen, so kann er die Aufhebung oder Abänderung der Vollstreckbarerklärung in einem besonderen Verfahren beantragen.

(2)
Für die Entscheidung über den Antrag ist das Gericht ausschließlich zuständig, das in dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung im ersten Rechtszug entschieden hat. Über den Antrag kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden; vor der Entscheidung ist der Gläubiger zu hören. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß, der dem Gläubiger und dem Schuldner von Amts wegen zuzustellen ist. Der Beschluß unterliegt der sofortigen Beschwerde.

(3)
Für die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßregeln gelten §§ 769, 770 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.


§ 7

(1)
Wird die Vollstreckbarerklärung einer gerichtlichen Entscheidung, die im Zeitpunkt der Vollstreck-
barerklärung in Belgien noch mit einem ordentlichen Rechtsbehelf angefochten werden konnte, nach § 6 aufgehoben oder abgeändert, so ist der Gläubiger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Schuldner durch die Vollstreckung der für vollstreckbar erklärten gerichtlichen Entscheidung oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist.

(2)
Für den Anspruch ist das Gericht ausschließlich zuständig, das in dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung im ersten Rechtszug entschieden hat.

 

Dritter Abschnitt. Besondere Vorschriften für deutsche gerichtliche Entscheidungen

 

§ 8
Ist zu erwarten, daß ein Versäumnis- oder Anerkenntnisurteil in Belgien geltend gemacht werden soll, so darf das Urteil nicht in abgekürzter Form (§ 313 b der Zivilprozeßordnung) hergestellt werden.

'
§ 9

(1)
Will eine Partei ein Versäumnis- oder Anerkenntnisurteil, das nach § 313 b der Zivilprozeßordnung in abgekürzter Form hergestellt ist, in Belgien geltend machen, so ist das Urteil auf ihren Antrag zu vervollständigen. Der Antrag kann bei dem Gericht schriftlich eingereicht oder mündlich zum Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden. Über den Antrag wird ohne mündliche Verhandlung entschieden.

(2)
Zur Vervollständigung des Urteils sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe nachträglich anzufertigen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übergeben; der Tatbestand und die Entscheidungsgründe können auch von Richtern unterschrieben werden, die bei dem Urteil nicht mitgewirkt haben.

(3)
Für die Berichtigung des nachträglich angefertigten Tatbestandes gilt § 320 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Jedoch können bei der Entscheidung über einen Antrag auf Berichtigung auch solche Richter mitwirken, die bei dem Urteil oder der nachträglichen Anfertigung des Tatbestandes nicht mitgewirkt haben.

(4)
Für die Vervollständigung des Urteils werden Gerichtsgebühren nicht erhoben. Für die Gebühren des Rechtsanwalts gilt § 37 Nr. 6 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte sinngemäß.


§ 10
Einer einstweiligen Anordnung oder einer einstweiligen Verfügung, die in Belgien geltend gemacht werden soll, ist eine Begründung beizufügen. § 9 ist entsprechend anzuwenden.

 

Vierter Abschnitt. Schlußbestimmungen

 

§ 11
Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Entscheidung über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen und über Anträge auf Aufhebung oder Abänderung der Vollstreckbarerklärung für die Bezirke mehrerer Amts- oder Landgerichte einem von ihnen zuzuweisen, sofern dadurch der zwischenstaatliche Rechtsverkehr erleichtert oder beschleunigt wird. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.


§ 12

(1)
Nach § 37 des Gerichtskostengesetzes wird folgende Vorschrift als § 37 a eingefügt:

 

"§ 37 a Vollstreckbarerklärung ausländischer Schuldtitel

(1)
Im Verfahren über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Schuldtitel sowie im Verfahren der Aufhebung oder Abänderung der Vollstreckbarerklärung werden die in § 25 bestimmten Gebühren erhoben. Eine Gebühr wird nicht erhoben, wenn der Antrag vor Anhörung des Gegners oder vor Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen wird.

(2)
Absatz 1 gilt nicht, soweit in Staatsverträgen bestimmt ist, daß ein Schuldtitel kostenfrei für vollstreckbar zu erklären ist."


(2)
§ 47 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte wird wie folgt geändert:

 

"§ 47 Vollstreckbarerklärung ausländischer Schuldtitel

(1)
Im Verfahren über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Schuldtitel sowie im Verfahren der Aufhebung oder Abänderung der Vollstreckbarerklärung erhält der Rechtsanwalt die in § 31 bestimmten Gebühren auch dann, wenn durch Beschluß entschieden wird.

(2)
Im Verfahren über die Beschwerde gegen eine den Rechtszug beendende Entscheidung erhält der Rechtsanwalt die gleichen Gebühren wie im ersten Rechtszug."

(3)
Es werden aufgehoben:

1.
Artikel IV der Verordnung zur Ausführung des Vertrags über Rechtsschutz und Rechtshilfe zwischen dem Deutschen Reiche und der Republik Österreich vom 26. April 1924 (Reichsgesetzbl. II S. 91);

2.
Artikel 5 der Verordnung zur Ausführung des deutsch-schweizerischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 23. August 1930 (Reichsgesetzbl. II S. 1209);

3.
Artikel 5 der Verordnung zur Ausführung des deutsch-italienischen Abkommens über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 18. Mai 1937 (Reichsgesetzbl. II S. 143).

 

§ 13
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin.


§ 14
Im Saarland treten während der Geltungsdauer des saarländischen Justizkostengesetzes an die Stelle der in diesem Gesetz erwähnten Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes und der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte die entsprechenden Bestimmungen des saarländischen Justizkostengesetzes.


§ 15
Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 30. Juni 1958 in Kraft.

Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet.

Bonn, den 26. Juni 1959.

Der Bundespräsident
Theodor Heuss

Der Stellvertreter des Bundeskanzlers
Ludwig Erhard

Der Bundesminister der Justiz
Schäffer

Der Bundesminister des Auswärtigen
von Brentano


[1] In Kraft getreten am 27.1.1961 (BGBl. 1969 S. 2408).