Vertrag
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
dem Königreich Griechenland
über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung
von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und
öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen

 

DER PRÄSIDENT DER
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

und

SEINE MAJESTÄT
DER KÖNIG DER HELLENEN

in dem Wunsch, die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen zu regeln,

sind übereingekommen, hierüber einen Vertrag zu schließen, und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt:

Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland
Herrn Dr. Gebhard Seelos,
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen,
und
Herrn Professor Dr. Arthur Bülow,
Ministerialdirigent im Bundesministerium der Justiz,

Seine Majestät der König der Hellenen
Herrn Christian Xanthopoulos-Palamas,
Botschaft, Generaldirektor im Griechischen Außenministerium,
und
Herrn Charalambos Pagoulatos,
ehemals Generalsekretär im Griechischen Justizministerium, Rechtsanwalt am Kassationshof.

Die Bevollmächtigten haben nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Bestimmungen vereinbart:


Erster Abschnitt Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen

 

Art. 1

(1)
Die in Zivil- oder Handelssachen ergangenen Entscheidungen der Gerichte des einen Staates, durch die in einem Verfahren der streitigen oder der freiwilligen Gerichtsbarkeit über Ansprüche der Parteien endgültig erkannt wird, werden in dem anderen Staat anerkannt, auch wenn sie noch nicht rechtskräftig sind. Als Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sind auch Urteile anzusehen, die in einem gerichtlichen Strafverfahren über Ansprüche aus einem Rechtsverhältnis des Zivil- oder Handelsrechtes ergangen sind.

(2)
Für die Anerkennung ist es ohne Bedeutung, ob die Entscheidung als Urteil, Beschluß, Vollstreckungsbefehl oder sonstwie benannt ist.

 

Art. 2
Die in Ehe- oder Familienstandssachen ergangenen Entscheidungen der Gerichte des einen Staates werden in dem anderen Staat anerkannt, wenn die Parteien Angehörige der Vertragsparteien sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staate hatten, in dem die Entscheidung ergangen ist.

 

Art. 3
Die Anerkennung darf nur versagt werden,

1.
wenn sie der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, widerspricht; ein solcher Verstoß ist insbesondere gegeben, wenn die Entscheidung einen Anspruch betrifft, der in dem Zeitpunkt, in dem sie erlassen worden ist, in dem Staat, in dem sie geltend gemacht wird, zwischen denselben Parteien bereits Gegenstand einer Entscheidung war, die nach dem Recht dieses Staates als endgültig anzusehen ist; oder

2.
wenn der Beklagte sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat,

a)
sofern ihm die Ladung oder die Verfügung, durch die das Verfahren eingeleitet worden war, nicht nach dem Rechte des Staates, in dem die Entscheidung ergangen ist, zugestellt worden war, oder

b)
sofern er nachweist, daß er von der Ladung oder der Verfügung nicht so zeitgerecht Kenntnis nehmen konnte, um sich auf das Verfahren einlassen zu können; oder

3.
wenn nach dem Rechte des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, dessen Gerichte kraft Gesetzes ausschließlich zuständig waren; oder

4.
wenn für die Entscheidung lediglich der Gerichtsstand des Vermögens gegeben war und der Beklagte

a)
entweder sich auf den Rechtsstreit nicht eingelassen oder

b)
vor Einlassung zur Hauptsache erklärt hat, sich auf den Rechtsstreit nur im Hinblick auf das Vermögen einzulassen, das sich im Staate des angerufenen Gerichtes befindet.

 

Art. 4

(1)
Die Anerkennung darf nicht allein deshalb versagt werden, weil das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, nach den Regeln seines internationalen Privatrechtes andere Gesetze angewendet hat, als sie nach dem internationalen Privatrecht des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, anzuwenden gewesen wären.

(2)
Die Anerkennung darf jedoch aus dem in Absatz 1 genannten Grunde versagt werden, wenn die Entscheidung auf der Beurteilung eines familienrechtlichen oder eines erbrechtlichen Verhältnisses, der Rechts- oder Handlungsfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung oder der Verschollenheits- oder Todeserklärung eines Angehörigen des Staates beruht, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, es sei denn, daß sie auch bei Anwendung des internationalen Privatrechtes des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, gerechtfertigt wäre.

 

Art. 5

(1)
Die in einem Staat ergangene Entscheidung, die in dem anderen Staate geltend gemacht wird, darf nur daraufhin geprüft werden, ob einer der in Artikel 3 oder Artikel 4 Absatz 2 genannten Versagungsgründe vorliegt. Sie darf keinesfalls auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden.

(2)
Das Gericht des Staates, in dem eine Entscheidung nach Artikel 2 geltend gemacht wird, ist bei der Prüfung, ob die Zuständigkeit des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat, gegeben war, an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen dieses Gerichts gebunden.

 

Zweiter Abschnitt Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen

 

Art. 6
Rechtskräftige oder vorläufig vollstreckbare gerichtliche Entscheidungen, aus denen in dem Staat, in dem sie ergangen sind, die Vollstreckung zulässig ist und die in dem anderen Staate nach Maßgabe dieses Vertrags anzuerkennen sind, werden in diesem Staate vollstreckt, wenn sie zuvor für vollstreckbar erklärt worden sind.

 

Art. 7
Die Vollstreckbarerklärung und die Durchführung der Vollstreckung richten sich nach dem Recht des Staates, in dem vollstreckt werden soll.

 

Art. 8
Die Vollstreckbarerklärung kann bei dem zuständigen Gericht jeder beantragen, der in dem Staat, in dem die Entscheidung ergangen ist, Rechte aus ihr herleiten kann.

 

Art. 9
Die Partei, welche die Vollstreckbarerklärung beantragt, hat beizubringen

1.
eine mit amtlichem Siegel oder Stempel versehene Ausfertigung der vollständigen Entscheidung;

2.
die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Urkunde, aus der sich ergibt, daß die den Rechtsstreit einleitende Ladung oder Verfügung der Partei, die sich auf den Rechtsstreit nicht eingelassen hat, gemäß Artikel 3 Nr. 2 Buchstabe a zugestellt worden ist;

3.
die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde oder einer anderen Urkunde, aus der sich ergibt, daß die Entscheidung der Partei, gegen welche die Vollstreckung betrieben werden soll, zugestellt worden ist;

4.
die Urkunde, in der bescheinigt ist oder aus der sich ergibt, daß die Entscheidung nach dem Recht des Staates, in dem sie ergangen ist, vollstreckbar ist;

5.
den Nachweis, daß sie eine ihr auferlegte Sicherheit geleistet hat;

6.
eine Übersetzung der vorerwähnten Urkunden in die Sprache des angerufenen Gerichts, die von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter oder von einem amtlich bestellten oder vereidigten Übersetzer eines der beiden Staaten als richtig bescheinigt sein muß.

 

Art. 10

(1)
Bei der Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat sich das angerufene Gericht auf die Prüfung zu beschränken, ob die nach Artikel 9 erforderlichen Urkunden beigebracht sind und ob einer der in Artikel 3 genannten Versagungsgründe vorliegt. Die Entscheidung darf keinesfalls auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden.

(2)
Kann die Entscheidung, deren Vollstreckbarerklärung beantragt wird, in dem Staat, in dem sie ergangen ist, noch mit einem Einspruch oder einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden, so kann das Verfahren der Vollstreckbarerklärung ausgesetzt werden, wenn der Gegner nachweist, daß er von einem solchen Rechtsbehelf Gebrauch gemacht hat. Ist ein solcher Rechtsbehelf gegen die Entscheidung noch nicht eingelegt und ist die Frist für ihn nach dem Recht des Staates, in dem die Entscheidung ergangen ist, noch nicht abgelaufen, so kann das angerufene Gericht die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückstellen und der Partei, gegen welche die Entscheidung vollstreckt werden soll, eine Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs setzen.

(3)
Die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist auszusetzen, wenn der Schuldner nachweist, daß die Vollstreckung gegen ihn einzustellen sei und daß er die Voraussetzungen erfüllt hat, von denen die Einstellung abhängt.

 

Art. 11
Eine Entscheidung kann auch nur zu einem Teil für vollstreckbar erklärt werden,

1.
wenn sie einen oder mehrere Ansprüche betrifft und die betreibende Partei die Vollstreckbarerklärung nur hinsichtlich eines Teils des Anspruchs oder hinsichtlich eines oder einiger Ansprüche beantragt; oder

2.
wenn sie mehrere Ansprüche betrifft und der Antrag der betreibenden Partei, sie für vollstreckbar zu erklären, nur wegen eines oder einiger Ansprüche begründet ist.

 

Art. 12
Wird die Entscheidung für vollstreckbar erklärt, so ordnet das Gericht gegebenenfalls zugleich die Maßnahmen an, die erforderlich sind, um der ausländischen Entscheidung die gleichen Wirkungen beizulegen, die sie haben würde, wenn sie von den Gerichten des Staates erlassen worden wäre, in dem sie für vollstreckbar erklärt wird.

 

Dritter Abschnitt Gerichtliche Vergleiche, Schiedssprüche und öffentliche Urkunden

 

Art. 13

(1)
Gerichtliche Vergleiche werden den rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen gleichgestellt.

(2)
Die betreibende Partei hat dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung eine mit dem amtlichen Siegel oder Stempel versehene Ausfertigung des Vergleiches nebst Vollstreckungsklausel sowie eine Übersetzung beizufügen, die den Erfordernissen des Artikels 9 Nr. 6 entspricht.

 

Art. 14

(1)
Die Anerkennung und die Vollstreckung von Schiedssprüchen bestimmen sich nach dem Übereinkommen oder Abkommen, das zwischen den beiden Vertragsparteien jeweils in Kraft ist.

(2)
Vor einem Schiedsgericht abgeschlossene Vergleiche werden den Schiedssprüchen gleichgestellt.

 

Art. 15

(1)
Öffentliche Urkunden, die in einem Staat errichtet und dort vollstreckbar sind, werden in dem anderen Staate wie rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen vollstreckt. Zu diesen Urkunden gehören insbesondere gerichtliche oder notarielle Urkunden und die in Unterhaltssachen von einer Verwaltungsbehörde - Jugendamt - aufgenommenen Verpflichtungserklärungen und Vergleiche.

(2)
Die betreibende Partei hat dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung eine mit dem amtlichen Siegel oder Stempel versehene Ausfertigung der öffentlichen Urkunde nebst Vollstreckungsklausel sowie eine Übersetzung beizufügen, die den Erfordernissen des Artikels 9 Nr. 6 entspricht.

(3)
Das Gericht des Staates, in dem die Vollstreckbarerklärung beantragt wird, hat sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Ausfertigung der öffentlichen Urkunde nach dem Recht des Staates, in dem sie errichtet worden ist, ordnungsmäßig erteilt ist und ob die Vollstreckbarerklärung nicht der öffentlichen Ordnung des Staates zuwiderläuft, in dem sie beantragt wird.

 

Art. 16
Die Vollstreckbarerklärung der in diesem Abschnitt erwähnten Schuldtitel und die Durchführung der Vollstreckung richten sich nach dem Recht des Staates, in dem vollstreckt werden soll.

 

Vierter Abschnitt Besondere Bestimmungen

 

Art. 17

(1)
Dieser Vertrag ist nicht anzuwenden

1. auf Entscheidungen in Konkurs- und in Vergleichsverfahren;

2. auf Arreste.

(2)
Dieser Vertrag ist ferner nicht auf einstweilige Verfügungen und einstweilige Anordnungen anzuwenden. Er gilt jedoch für solche einstweiligen Verfügungen oder einstweiligen Anordnungen, die auf Leistung des Unterhalts oder auf eine andere Geldleistung lauten. Titel dieser Art werden wie rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen vollstreckt.

 

Art. 18

(1)
Ist eine Sache vor dem Gericht eines Staates rechtshängig und wird die Entscheidung in dieser Sache in dem anderen Staat anzuerkennen sein, so hat ein Gericht dieses Staates in einem Verfahren, das bei ihm wegen desselben Gegenstandes und zwischen denselben Parteien später anhängig wird, die Entscheidung abzulehnen.

(2)
Jedoch können die zuständigen Gerichte einer jeden der beiden Vertragsparteien in Eilfällen die in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen anordnen, einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, welches Gericht mit der Hauptsache befaßt ist.

 

Art. 19
Dieser Vertrag berührt nicht die Bestimmungen anderer Abkommen oder Übereinkommen, die zwischen beiden Vertragsparteien gelten oder gelten werden und die für besondere Rechtsgebiete die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen oder öffentlichen Urkunden regeln.

 

Art. 20
Dieser Vertrag ist ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien anzuwenden. Artikel 2 und Artikel 4 Absatz 2 bleiben jedoch unberührt.

 

Art. 21
Dieser Vertrag ist nur auf solche gerichtlichen Entscheidungen, Vergleiche oder öffentlichen Urkunden anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten erlassen oder errichtet werden.

 

Art. 22
Durch diesen Vertrag wird nicht ausgeschlossen, daß eine Entscheidung eines Gerichts des einen Staates, für die dieser Vertrag nicht gilt oder die nach diesem Vertrag nicht anerkannt oder vollstreckt werden kann, in dem anderen Staat auf Grund des innerstaatlichen Rechts anerkannt und vollstreckt wird.

 

Fünfter Abschnitt Schlußbestimmungen

 

Art. 23
Dieser Vertrag gilt auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Regierung des Königreichs Griechenland innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Vertrages eine gegenteilige Erklärung abgibt.

 

Art. 24

(1)
Dieser Vertrag bedarf der Ratifizierung. Die Ratifikationsurkunden sollen so bald wie möglich in Bonn ausgetauscht werden.

(2)
Dieser Vertrag tritt einen Monat nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.

(3)
Dieser Vertrag kann jederzeit schriftlich gekündigt werden; er tritt sechs Monate nach seiner Kündigung außer Kraft.

 

Zu Urkund Dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unterschrieben und mit ihren Siegeln versehen.

Geschehen zu Athen am 4. November 1961 in vier Urschriften, zwei in deutscher und zwei in griechischer Sprache, wobei der Wortlaut in beiden Sprachen gleichermaßen verbindlich ist.

Für die Bundesrepublik Deutschland:
Seelos
Bülow

Für das Königreich Griechenland:
Palamas
Ch. Pagoulatos