Abkommen
zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Italien
über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen vom 18.5.1937
(BGBl. 1937 II S. 145)
Der Deutsche Reichskanzler und Seine Majestät der König von Italien, von dem Wunsche geleitet, zur Förderung der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reiche und Italien die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu regeln, haben beschlossen, hierüber ein Abkommen zu schließen. Zu diesem Zwecke haben zu Bevollmächtigten ernannt:
der Deutsche Reichskanzler
den Deutschen Botschafter bei Seiner Majestät dem König von Italien,
Ulrich von Hassell,
Seine Majestät der König von Italien
den Chef der Regierung,
Premierminister und Minister der auswärtigen Angelegenheiten,
Benito Mussolini,
die nach Prüfung ihrer Vollmachten, die in guter und gehöriger Form befunden worden sind, folgendes vereinbart haben:
Art. 1
Den in Zivil- und Handelssachen ergangenen Entscheidungen der bürgerlichen Gerichte des einen Staates, die dort Rechtskraft erlangt haben, wird im Gebiet des anderen Staates dieselbe Wirkung zuerkannt, wenn für die Gerichte des Staates, in dem die Entscheidung gefällt wurde, eine Zuständigkeit nach Maßgabe der folgenden Artikel begründet war und nicht nach dem Recht des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, dessen eigene Gerichte oder die eines dritten Staates ausschließlich zuständig sind.
Das Verfahren, in dem die Anerkennung der Entscheidung nachzusuchen ist, bestimmt sich nach dem Recht des angerufenen Staates.
Art. 2
In vermögensrechtlichen Streitigkeiten sind die Gerichte des Staates, in dem die Entscheidung gefällt wurde, im Sinne des Artikels 1 zuständig, wenn die in einem zwischenstaatlichen Abkommen vorgesehenen Voraussetzungen gegeben sind oder eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
1.
wenn in dem Staate, in dem die Entscheidung erlassen worden ist, der Beklagte - oder einer der Beklagten, falls notwendige Streitgenossenschaft bestand - seinen Wohnsitz hatte und der Anspruch sich nicht auf den Besitz oder das Eigentum an einem Grundstück oder auf ein sonstiges Realrecht an einem Grundstück bezog;
2.
wenn sich der Beklagte durch eine ausdrückliche Vereinbarung über Ansprüche aus bestimmt bezeichneten Rechtsverhältnissen der Zuständigkeit des Gerichts, das die Entscheidung gefällt hat, unterworfen oder sich vorbehaltlos auf den Rechtsstreit eingelassen hatte, es sei denn, daß beide Parteien Angehörige des Staates waren, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, und in diesem ihren Wohnsitz hatten;
3.
wenn der Beklagte am Orte seiner geschäftlichen Niederlassung oder Zweigniederlassung für Ansprüche aus dem Betriebe dieser Niederlassung belangt worden ist;
4.
wenn sich die Klage auf eine unerlaubte Handlung gründet, die in dem Staate begangen ist, in dem die Entscheidung gefällt wurde;
5.
für eine Widerklage, wenn das Gericht für die Entscheidung über die Klage zuständig ist und der Gegenanspruch mit dem Klageanspruch oder mit einem vorgebrachten Verteidigungsmittel im Zusammenhang steht;
6.
in Erbschaftsstreitigkeiten zwischen den Erben eines Angehörigen des Staates, in dem die Entscheidung gefällt wurde;
7.
für eine dingliche Klage, die sich auf ein Grundstück im Gebiet des Staates bezieht, in dem die Entscheidung gefällt wurde.
Art. 3
In nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten sind die Gerichte des Staates, in dem die Entscheidung gefällt wurde, im Sinne des Artikels 1 zuständig, wenn die Parteien Angehörige dieses Staates waren oder dort ihren Wohnsitz hatten.
Art. 4
Die Anerkennung ist zu versagen, wenn die Entscheidung Bestimmungen enthält, die gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen.
Sie ist ferner zu versagen, wenn in der Entscheidung hinsichtlich eines Angehörigen des angerufenen Staates bei Beurteilung der Handlungsfähigkeit oder der gesetzlichen Vertretung oder bei Beurteilung eines für den Anspruch maßgebenden familien- oder erbrechtlichen Verhältnisses oder der dafür maßgebenden Abwesenheits- oder Todeserklärung andere als die Gesetze zugrunde gelegt sind, die nach dem Rechte dieses Staates anzuwenden wären. Die Entscheidung ist jedoch anzuerkennen, wenn sie auch bei Anwendung dieser Gesetze begründet wäre.
Hat sich der Beklagte auf den Rechtsstreit nicht eingelassen, so ist die Anerkennung zu versagen, wenn die Zustellung der den Rechtsstreit einleitenden Ladung oder Verfügung an den Beklagten oder seinen zur Empfangnahme berechtigten Vertreter nicht rechtzeitig oder lediglich im Wege der öffentlichen Zustellung oder im Ausland auf einem anderen Wege als dem der gegenseitigem Rechtshilfe bewirkt worden ist.
Die Anerkennung ist auch zu versagen, wenn die Entscheidung mit einer über denselben Anspruch ergangenen Entscheidung eines Gerichts des angerufenen Staates im Widerspruch steht.
Art. 5
Das Gericht des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, ist bei der Prüfung der die Zuständigkeit eines Gerichts des anderen Staates begründenden Tatsachen und der Versagungsgründe an die tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung nicht gebunden.
Im übrigen ist die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung nicht zu prüfen.
Art. 6
Die in dem einen Staate ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, die nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen in dem anderen Staate anerkannt werden, werden dort auch vollstreckt, vorausgesetzt, daß sie in dem Staate, in dem sie ergangen sind, vollstreckbar sind.
Art. 7
Die Partei, die die Entscheidung geltend macht, hat beizubringen:
1.
eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt;
2.
die Urkunden, die dartun, daß die Entscheidung in dem Staat, in dem sie gefällt wurde, rechtskräftig ist und, gegebenenfalls, daß sie vollstreckbar ist;
3.
die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Urkunden, aus denen sich ergibt, daß die den Rechtsstreit einleitende Ladung oder Verfügung der Partei, die sich auf den Rechtsstreit nicht eingelassen hatte, entsprechend der Vorschrift des Artikels 4 Abs. 3 zugestellt ist;
4.
eine Übersetzung der vorerwähnten Urkunden; die Übersetzung muß von dem diplomatischen oder konsularischen Vertreter oder von einem beeidigten Dolmetscher eines der beiden Staaten als richtig bescheinigt sein.
Art. 8
Hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen gilt im Verhältnis zwischen beiden Staaten das in Genf zur Zeichnung aufgelegte Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 26. September 1927 mit der Maßgabe, daß es ohne Rücksicht auf die im Artikel 1 Abs. 1 daselbst enthaltenen Beschränkungen auf alle in einem der beiden Staaten ergangenen Schiedssprüche Anwendung findet.
Zum Nachweis, daß der Schiedsspruch eine endgültige Entscheidung im Sinne des Artikels 1 Abs. 2 lit. d des vorbezeichneten Abkommens darstellt, genügt eine Bescheinigung der zuständigen Behörden; die Zuständigkeit dieser Behörden ist durch das Justizministerium ihres Staates zu bestätigen.
Vor einem Schiedsgericht abgeschlossene Vergleiche stehen hinsichtlich ihrer Vollstreckbarkeit Schiedssprüchen gleich.
Art. 9
Vergleiche, die vor dem Gericht eines der beiden Staaten abgeschlossen sind und dort vollstreckbar sind, werden ebenso wie gerichtliche Entscheidungen behandelt, ohne daß es einer Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts bedarf.
Art. 10
Der in dem einen der beiden Staaten zum Armenrecht zugelassenen Partei ist im anderen Staate in dem Verfahren, in dem sie die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung der zu ihren Gunsten ergangenen Entscheidung nachsucht, ebenfalls das Armenrecht zu bewilligen.
Art. 11
Die Gerichte jedes der beiden Staaten haben auf Antrag einer Partei die Entscheidung über Ansprüche abzulehnen, wegen deren vor einem nach diesem Abkommen zuständigen Gericht des anderen Staates bereits ein Verfahren anhängig ist.
Art. 12
Auf Arreste und andere einstweilige Verfügungen, auf die in einem Strafverfahren ergangenen Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche und auf Entscheidungen, die in einem Konkursverfahren oder in einem Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses ergangen sind, findet das Abkommen keine Anwendung.
Art. 13
Unter "Wohnsitz" im Sinne dieses Abkommens ist zu verstehen:
1.
für den geschäftsfähigen Volljährigen, für den mündig Erklärten und für den Volljährigen, der bloß zur Vornahme gewisser Handlungen der Mitwirkung eines Beistandes bedarf, der Ort, an dem er sich in einem der beiden Staaten in der Absicht ständiger Niederlassung aufhält, oder in Ermangelung eines solchen Ortes der Ort in einem der beiden Staaten, an dem sich der hauptsächliche Sitz seiner Interessen befindet;
2.
für eine Person, die unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, der Ort des Wohnsitzes des gesetzlichen Vertreters;
3.
für die Ehefrau der Ort des Wohnsitzes des Ehemannes; ist jedoch der Wohnsitz des Ehemannes unbekannt oder ist die Ehefrau von Tisch und Bett getrennt oder ist sie berechtigt, einen selbständigen Wohnsitz zu haben, so bestimmt sich der Wohnsitz der Ehefrau nach Maßgabe der Nr. 1;
4.
für Gesellschaften und juristische Personen der in der Satzung bestimmte Sitz oder in Ermangelung eines solchen der Ort, an dem ihre Verwaltung geführt wird.
Art. 14
Die Vereinbarungen, die für besondere Rechtsgebiete über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zwischen beiden Staaten getroffen sind, werden durch dieses Abkommen nicht berührt.
Art. 15
Die im