Konsularvertrag
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
DER PRÄSIDENT
DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
und
DAS PRÄSIDIUM DES OBERSTEN SOWJETS
DER UNION DER SOZIALISTISCHEN SOWJETREPUBLIKEN
GELEITET VON DEM WUNSCHE, die konsularischen Beziehungen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zu regeln,
HABEN BESCHLOSSEN, einen Konsularvertrag abzuschließen, und haben zu diesem Zweck zu
ihren Bevollmächtigten ernannt:
Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland
Herrn Dr. Heinrich von Brentano,
Bundesminister des Auswärtigen,
und
Herrn Botschafter Rolf Lahr,
Leiter der Delegation der Bundesrepublik Deutschland
für die Verhandlungen mit der Delegation
der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken,
das Präsidium des Obersten Sowjets
der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
Herrn Anastas lwanowitsch Mikojan,
Erster Stellvertretender Vorsitzender
des Ministerrats der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
und
Herrn Wladimir Semjonowitsch Semjonow,
Stellvertretender Minister für Auswärtige Angelegenheiten
der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
die nach gegenseitiger Vorlage ihrer in guter und gehöriger Form befundenen
Vollmachten wie folgt übereingekommen sind:
ERSTER ABSCHNITT
Errichtung von Konsulaten und Zulassung von Konsuln
Artikel 1
(1)
Die Bestimmungen dieses Vertrages finden auf die konsularische Tätigkeit der
Konsularabteilungen der Botschaften der Vertragsparteien und ebenso auf die Tätigkeit der
Konsulate Anwendung, falls solche Konsulate wechselseitig von einer Vertragspartei im
Gebiet der anderen Vertragspartei errichtet werden. Entsteht nach Auffassung jeder der
beiden Vertragsparteien ein Bedürfnis für die Errichtung von Konsulaten im Gebiet der
anderen Vertragspartei, so nehmen sie Verhandlungen auf, um zu einer Vereinbarung über
die Errichtung solcher Konsulate zu gelangen.
(2)
Die Amtssitze der Konsuln und ihre Konsularbezirke werden von den Vertragsparteien in
jedem einzelnen Falle vereinbart.
Artikel 2
Vor der Ernennung eines Konsuls erbittet der Entsendestaat auf diplomatischem Wege das
Einverständnis des Empfangsstaates zu dieser Ernennung. Wenn eine Vertragspartei mit der
Person des als Konsul Vorgeschlagenen nicht einverstanden ist, so teilt sie dies auf dem
gleichen Wege der anderen Vertragspartei mit.
Artikel 3
(1)
Die Botschaft des Entsendestaates legt dem Ministerium des Auswärtigen des
Empfangsstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Konsul seine Amtspflichten wahrnehmen soll,
die Bestallung mit Angabe des Vor- und Zunamens des Konsuls, seines konsularischen Ranges,
des für ihn bestimmten Konsularbezirkes und seines Amtssitzes vor.
(2)
Der Konsul kann seine Amtsgeschäfte erst nach seiner Zulassung durch die Regierung des
Empfangsstaates aufnehmen. Diese Zulassung erfolgt nach Vorlage der Bestallung in der Form
des Exequaturs.
(3)
Die Tätigkeit des Konsuls endet durch Abberufung, Zurücknahme des Exequaturs und im
Falle seines Todes.
(4)
Die Botschaft macht dem Ministerium des Auswärtigen des Empfangsstaates die mit der
Ausübung konsularischer Amtsbefugnisse beauftragten Angehörigen der Botschaft auf
diplomatischem Wege vor Aufnahme ihrer konsularischen Tätigkeit in der Botschaft namhaft.
Artikel 4
(1)
Im Falle der Abwesenheit, einer Erkrankung, der Abberufung oder des Todes des Konsuls gilt
der zur Vertretung des Konsuls auf diplomatischem Wege benannte Stellvertreter als zur
zeitweiligen Leitung des Konsulats zugelassen. Der Entsendestaat kann in gleicher Weise
einen Angehörigen seiner Botschaft oder eine im Empfangsstaat des Konsuls tätige
Amtsperson des Konsulardienstes zur zeitweiligen Leitung des Konsulats ermächtigen. Diese
Person gilt als vom Empfangsstaat zur zeitweiligen Leitung des Konsulats zugelassen,
sofern der Empfangsstaat dagegen keine Einwendungen erhebt.
(2)
Die Person, die als zur zeitweiligen Leitung des Konsulats zugelassen gilt, genießt in
diesem Zeitraum die Rechte und Vorrechte, die den Konsuln durch diesen Vertrag zuerkannt
sind.
Artikel 5
(1)
In diesem Vertrage werden unter der Bezeichnung "Konsulat" Generalkonsulate,
Konsulate und Vizekonsulate und unter der Bezeichnung "Konsul" Generalkonsuln,
Konsuln und Vizekonsuln in ihrer Eigenschaft als Leiter eines Konsulats verstanden.
(2)
Unter der Bezeichnung "Amtspersonen des Konsulardienstes" werden verstanden:
a)
Personen, die in einem Konsulat, ohne dessen Leiter zu sein, unter der Amtsbezeichnung
"Konsul" oder "Vizekonsul" die konsularischen Amtsbefugnisse ausüben
und in dieser Eigenschaft dem Empfangsstaat benannt sind. Diesen stehen die den Konsulaten
zur Ausbildung für das Amt eines Konsuls überwiesenen Personen (Attachés) gleich;
b)
Sekretäre und Referenten, die zur Ausübung bestimmter konsularischer Amtsbefugnisse
ermächtigt und hierfür dem Empfangsstaat benannt sind.
(3)
Unter der Bezeichnung "Mitarbeiter des Konsulats" werden verstanden
Büroangehörige, Dolmetscher und Übersetzer, Schreibkräfte, Buchhalter, Hausverwalter,
Kraftfahrer und entsprechende Bedienstete.
(4)
Unter der Bezeichnung "Angehörige des Konsulats" werden der Konsul, die
Amtspersonen des Konsulardienstes und die Mitarbeiter des Konsulats verstanden.
Artikel 6
Der Konsul und die Amtspersonen des Konsulardienstes dürfen nur Staatsangehörige des
Entsendestaates sein.
ZWEITER ABSCHNITT
Rechte und Vorrechte der Angehörigen des Konsulats
Artikel 7
Die Behörden des Konsularbezirks gewährleisten dem Konsul und den Amtspersonen des
Konsulardienstes ihren Schutz und gewähren ihnen Unterstützung, damit sie ihre
konsularische Tätigkeit aufnehmen und ausüben können.
Artikel 8
(1)
Der Konsul und die Amtspersonen des Konsulardienstes unterstehen in Angelegenheiten, die
ihre amtliche Tätigkeit betreffen, nicht der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates.
(2)
Wegen sonstiger Handlungen dürfen der Konsul und die Amtspersonen des Konsulardienstes im
Gebiet des Empfangsstaates nicht in Haft genommen oder sonst in ihrer Freiheit beschränkt
werden, es sei denn, daß es sich um die Vollstreckung einer durch ein Gericht
rechtskräftig erkannten Strafe oder um Verfolgung wegen einer Straftat gegen Leben oder
persönliche Freiheit handelt und die Ergreifung auf frischer Tat erfolgt.
(3)
Wenn ein Konsul oder eine Amtsperson des Konsulardienstes verhaftet oder zur Untersuchung
gezogen werden soll, so ist der Botschaft des Entsendestaates vom Empfangsstaat hiervon
vorher Kenntnis zu geben. Wird indessen ein Konsul oder eine Amtsperson des
Konsulardienstes auf frischer Tat ergriffen, so hat der Empfangsstaat die Botschaft des
Entsendestaates unverzüglich nach der Festnahme hiervon in Kenntnis zu setzen.
Artikel 9
Der Konsul hat das Recht, an den Konsulatsgebäuden Schilder mit dem Staatswappen und
der Bezeichnung seines Amtes anzubringen sowie auf den genannten Gebäuden und den
Beförderungsmitteln des Konsuls (Kraftfahrzeugen, Motorbooten u. ä.) die Flagge seines
Staates zu zeigen.
Artikel 10
(1)
Die Angehörigen des Konsulats sind, soweit sie Staatsangehörige des Entsendestaates
sind, hinsichtlich der Bezüge, die sie in ihrer Eigenschaft als Angehörige des Konsulats
erhalten, im Empfangsstaat von jeder Steuer befreit.
(2)
Den Angehörigen des Konsulats, die Staatsangehörige des Entsendestaates sind, werden
unter der Bedingung der Gegenseitigkeit außer den Befreiungen nach Absatz 1 im
Empfangsstaat die gleichen Steuerbefreiungen gewährt, die den Angehörigen des Konsulats
irgendeines dritten Staates zustehen. Dies gilt auch für die mit ihnen zusammenlebenden
Ehegatten und minderjährigen Kinder, soweit sie Staatsangehörige des Entsendestaates
sind.
(3)
Grundstücke und Gebäude sind von direkten Steuern und Abgaben befreit, soweit sie von
den Angehörigen des Konsulats als Dienst- oder Wohnräume benutzt werden.
Artikel 11
(1)
Den Angehörigen des Konsulats sowie den mit ihnen zusammenlebenden Ehegatten und
minderjährigen Kindern werden, soweit sie Staatsangehörige des Entsendestaates sind,
hinsichtlich der Zölle und sonstigen Eingangsabgaben auf der Grundlage der
Gegenseitigkeit die gleichen Vergünstigungen gewährt wie den entsprechenden Angehörigen
der Botschaft des Entsendestaates.
(2)
Die zum amtlichen Gebrauch des Konsulats bestimmten Gegenstände einschließlich der
Kraftfahrzeuge werden von Zöllen und sonstigen Eingangsabgaben ebenso befreit wie die
für den amtlichen Gebrauch der Botschaft des Entsendestaates bestimmten Gegenstände.
Artikel 12
(1)
Die Angehörigen des Konsulats und ihre mit ihnen zusammenlebenden Ehegatten und
minderjährigen Kinder sind, soweit sie Staatsangehörige des Entsendestaates sind, im
Empfangsstaat von militärischen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu
persönlichen Dienstleistungen und Sachleistungen befreit.
(2)
Die Grundstücke und Gebäude sind von militärischen und anderen öffentlich-rechtlichen
Auflagen nur dann befreit, wenn sie von Angehörigen des Konsulats, die Staatsangehörige
des Entsendestaates sind, als Dienst- oder Wohnräume benutzt werden.
Artikel 13
(1)
Die Angehörigen des Konsulats erscheinen auf Ersuchen der Gerichte oder
Staatsanwaltschaften vor den Gerichtsbehörden des Empfangsstaates als Zeugen.
(2)
Falls der Konsul wegen dienstlicher Umstände, Krankheit oder aus anderen Gründen nicht
vor den Gerichtsbehörden erscheinen kann, hat er ihnen davon Mitteilung zu machen und auf
Verlangen der Gerichtsbehörden die Zeugenaussage schriftlich abzugeben.
(3)
Die Angehörigen des Konsulats können, soweit sie Staatsangehörige des Entsendestaates
sind, als Zeugen die Aussage über Umstände verweigern, die ihre amtliche Tätigkeit
betreffen.
Artikel 14
(1)
Die Archive und der amtliche Schriftverkehr des Konsulats einschließlich des
telegrafischen Verkehrs sind unverletzlich und dürfen nicht eingesehen werden. Die
hierunter fallenden amtlichen Schriftstücke sind jedoch getrennt von dem persönlichen
Eigentum und dem privaten Schriftverkehr der Angehörigen des Konsulats zu halten.
(2)
Der Konsul hat das Recht, im Verkehr mit den Behörden des Entsendestaates die Chiffre und
die diplomatische Post zu gebrauchen. Bei Benutzung der üblichen Nachrichtenmittel (Post,
Telegraf, Telefon, Funk) gelten für die Konsuln die gleichen Tarife wie für
diplomatische Vertreter.
(3)
Die Amtsräume des Konsulats sind unverletzlich; in den persönlichen Wohnräumen des
Konsuls führen die Behörden des Empfangsstaates keine Zwangsmaßnahmen durch.
Artikel 15
Den Angehörigen des Konsulats, die nicht Staatsangehörige des Empfangsstaates sind,
ist es nicht gestattet, im Empfangsstaat eine andere als die Tätigkeit im Konsulat
auszuüben.
DRITTER ABSCHNITT
Aufgaben und Amtsbefugnisse der Konsuln
Artikel 16
(1)
Der Konsul schützt in seinem Konsularbezirk die Rechte und Interessen des
Entsendestaates, seiner Staatsangehörigen sowie der juristischen Personen, die im
Entsendestaat ihren Sitz haben und nach dessen Recht errichtet worden sind.
(2)
Der Konsul soll die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen und der Schiffahrt
zwischen den Vertragsparteien fördern und zur Festigung der freundschaftlichen
Beziehungen zwischen ihnen beitragen.
Artikel 17
(1)
Der Konsul kann sich bei der Ausübung seiner Amtspflichten an die zuständigen örtlichen
Behörden seines Konsularbezirkes wenden und bei diesen im Falle von Verletzungen der
Rechte und Interessen des Entsendestaates, seiner Staatsangehörigen sowie der
juristischen Personen, die im Entsendestaat ihren Sitz haben und nach dessen Recht
errichtet worden sind, Vorstellungen erheben.
(2)
Bleiben diese Vorstellungen des Konsuls unbeachtet oder erweist es sich, daß an der
Angelegenheit Behörden beteiligt sind, die sich nicht im Konsularbezirk befinden, so wird
die Frage auf diplomatischem Wege entschieden.
Artikel 18
Der Konsul ist befugt, Staatsangehörige des Entsendestaates und juristische Personen,
die im Entsendestaat ihren Sitz haben und nach dessen Recht errichtet worden sind, vor
Gerichten einschließlich Schiedsgerichten und vor anderen Behörden des Empfangsstaates
zu vertreten, wenn diese natürlichen oder juristischen Personen wegen Abwesenheit oder
anderer triftiger Gründe nicht in der Lage sind, ihre Rechte und Interessen rechtzeitig
wahrzunehmen; diese Vertretung dauert so lange, bis die Vertretenen ihre Bevollmächtigten
ernennen oder selbst die Wahrnehmung ihrer Rechte und Interessen übernehmen. Vorschriften
des Empfangsstaates über den Anwaltszwang bleiben von den Bestimmungen dieses Artikels
unberührt.
Artikel 19
Der Konsul ist befugt, in seinen Amtsräumen, in seinen persönlichen Wohnräumen, in
den Wohnungen von Staatsangehörigen des Entsendestaates mit deren Zustimmung und an Bord
von Schiffen unter der Flagge des Entsendestaates folgende Handlungen vorzunehmen:
1.
von Staatsangehörigen des Entsendestaates Erklärungen entgegenzunehmen und sie zu
beurkunden;
2.
letztwillige Verfügungen und sonstige einseitige Rechtsgeschäfte und Willenserklärungen
von Staatsangehörigen des Entsendestaates zu beurkunden;
3.
Rechtsgeschäfte zwischen Staatsangehörigen des Entsendestaates zu beurkunden, soweit sie
nicht den Gesetzen des Empfangsstaates widersprechen. Der Konsul kann jedoch keine
Rechtsgeschäfte über die Begründung, Übertragung oder Aufhebung dinglicher Rechte an
Gebäuden und Grundstücken beurkunden, die im Empfangsstaat belegen sind;
4.
Rechtsgeschäfte zwischen Staatsangehörigen des Entsendestaates und anderen Personen zu
beurkunden oder die Unterschriften der am Abschluß des Rechtsgeschäftes Beteiligten zu
beglaubigen, soweit diese Rechtsgeschäfte sich ausschließlich auf Gegenstände oder
Rechte im Gebiet des Entsendestaates beziehen und dort auszuführen sind und nicht gegen
die Gesetze des Empfangsstaates verstoßen;
5.
Unterschriften von Staatsangehörigen des Entsendestaates auf Urkunden jeder Art zu
beglaubigen;
6.
Urkunden jeder Art, die von Behörden oder Amtspersonen des Entsendestaates oder des
Empfangsstaates ausgestellt sind, zu legalisieren, sowie Vervielfältigungen dieser
Schriftstücke zu beglaubigen;
7.
Schriftstücke jeder Art zu übersetzen und diese Übersetzungen zu beglaubigen;
8.
Urkunden, Geld, Wertgegenstände und sonstige Vermögensgegenstände von
Staatsangehörigen des Entsendestaates und von juristischen Personen, die im Entsendestaat
ihren Sitz haben und nach dessen Recht errichtet worden sind, zu verwahren oder für diese
in Verwahrung zu nehmen;
9.
andere konsularische Amtshandlungen vorzunehmen, mit deren Vornahme sie beauftragt werden,
sofern diese nicht den Gesetzen des Empfangsstaates widersprechen.
Artikel 20
(1)
Die in Artikel 19 genannten Urkunden werden, wenn sie von einem
Konsul aufgenommen oder unter Beifügung seines Amtssiegels beglaubigt sind, ebenso wie
die von ihm unter Beifügung seines Amtssiegels beglaubigten Vervielfältigungen,
Übersetzungen und Auszüge solcher Urkunden, im Empfangsstaat als öffentliche oder
öffentlich beglaubigte Urkunden, Vervielfältigungen, Übersetzungen und Auszüge
angesehen und haben dieselbe rechtliche Wirkung und Beweiskraft, als wenn sie von
zuständigen Behörden oder Amtspersonen des Empfangsstaates aufgenommen oder beglaubigt
wären.
(2)
Sämtliche In Absatz 1 dieses Artikels erwähnten Urkunden, sowie deren
Vervielfältigungen, Übersetzungen und Auszüge müssen jedoch, wenn sie sich auf
Angelegenheiten beziehen, die im Empfangsstaat auszuführen sind, legalisiert werden,
falls dies nach den Gesetzen des Empfangsstaates erforderlich ist.
Artikel 21
Der Konsul ist befugt, die Staatsangehörigen des Entsendestaates zu registrieren, die
sich ständig oder vorübergehend in seinem Konsularbezirk aufhalten.
Artikel 22
(1)
Der Konsul ist befugt, den Staatsangehörigen des Entsendestaates Pässe und andere
Ausweise auszustellen, sie zu verlängern und auszuhändigen.
(2)
Der Konsul ist befugt, Sichtvermerke des Entsendestaates zur Ein-, Durch- und Ausreise zu
erteilen.
Artikel 23
(1)
Der Konsul ist befugt, nach den Vorschriften des Entsendestaates Eheschließungen
vorzunehmen, wenn beide Eheschließenden Staatsangehörige des Entsendestaats sind.
(2)
Von den vorgenommenen Eheschließungen hat der Konsul den Behörden des Empfangsstaates
innerhalb von drei Monaten Anzeige zu erstatten.
(3)
Der Konsul ist befugt, von den Gerichten erkannte Ehescheidungen, die einen
Staatsangehörigen des Entsendestaates betreffen, nach den Vorschriften des
Entsendestaates zu registrieren.
Artikel 24
(1)
Der Konsul ist befugt, nach den Vorschriften des Entsendestaates Geburten und Todesfälle
der Staatsangehörigen des Entsendestaates zu beurkunden.
(2)
Eine nach den Gesetzen des Empfangsstaates bestehende Verpflichtung der beteiligten
Personen, von Geburten und Todesfällen den Behörden des Empfangsstaates Anzeige zu
erstatten, wird von den Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt.
Artikel 25
(1)
Stirbt ein Staatsangehöriger des Entsendestaates im Konsularbezirk, so wacht der Konsul
darüber, daß alle Maßnahmen ergriffen werden, die zum Schutze der berechtigten
Interessen der Erben erforderlich sind.
(2)
Die Behörden im Konsularbezirk setzen den Konsul von Todesfällen von Staatsangehörigen
des Entsendestaates sowie von den ergriffenen oder zu ergreifenden Maßnahmen zur Regelung
der Nachlaßangelegenheiten in Kenntnis.
Artikel 26
Die Feststellung, Verwahrung und Siegelung des Nachlasses gehört zur Zuständigkeit
der örtlichen Behörden. Auf Antrag des Konsuls ergreifen sie die zum Schutz des
Nachlasses notwendigen Maßnahmen.
Artikel 27
Der Konsul hat hinsichtlich des Nachlasses von Staatsangehörigen des Entsendestaates,
die sich im Konsularbezirk aufgehalten haben, folgende Rechte, die er selbst oder durch
seine Bevollmächtigten wahrnehmen kann:
1.
an der Aufnahme eines Nachlaßverzeichnisses und der Unterzeichnung des entsprechenden
Protokolls teilzunehmen;
2.
sich mit den zuständigen Behörden des Empfangsstaates ins Benehmen zu setzen, um
Beschädigung oder Verderb der Nachlaßgegenstände zu verhindern und im Bedarfsfalle ihre
Veräußerung sicherzustellen.
Artikel 28
(1)
Der Konsul ist befugt, von den örtlichen Behörden die Übergabe der Nachlaßgegenstände
einschließlich der Schriftstücke des Verstorbenen zu verlangen, wenn die Erben
Staatsangehörige des Entsendestaates sind und sich nicht im Gebiet des Empfangsstaates
befinden.
(2)
Bevor der Konsul die Nachlaßgegenstände an die Erben übergibt oder in das Ausland
verbringt, müssen in den Grenzen des Nachlaßwertes die festgesetzten Abgaben bezahlt und
die sonstigen von anderen im Empfangsstaat wohnhaften Personen erhobenen und
nachgewiesenen Ansprüche befriedigt sein. Diese Verpflichtungen des Konsuls erlöschen,
wenn ihm nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Tode des Erblassers nachgewiesen wird,
daß die Ansprüche dieser Personen als berechtigt anerkannt sind oder derzeit von den
zuständigen Behörden geprüft werden.
(3)
Hinsichtlich der unbeweglichen Nachlaßgegenstände finden die Rechtsvorschriften des
Staates Anwendung, in dessen Gebiet diese Gegenstände belegen sind.
Artikel 29
(1)
Der Konsul kann den zuständigen Behörden des Empfangsstaates geeignete Personen zur
Bestellung als Vormünder oder Pfleger für Staatsangehörige des Entsendestaates
vorschlagen. Diese Behörden sollen dem Vorschlage des Konsuls entsprechen, wenn nicht
besonders wichtige Gründe entgegenstehen. Diese Gründe sollen dem Konsul mitgeteilt
werden.
(2)
Erfährt der Konsul, daß das Vermögen eines Staatsangehörigen des Entsendestaates
unbeaufsichtigt ist, so kann er den zuständigen Behörden des Empfangsstaates eine
geeignete Person zur Bestellung als Vermögensverwalter vorschlagen. Diese Behörden
sollen dem Vorschlage des Konsuls entsprechen, wenn nicht besonders wichtige Gründe
entgegenstellen. Diese Gründe sollen dem Konsul mitgeteilt werden.
Artikel 30
(1)
Der Konsul kann persönlich oder durch seine Bevollmächtigten ohne Behinderung seitens
der Behörden des Empfangsstaates Schiffe unter der Flagge des Entsendestaates, die in
einen Hafen seines Konsularbezirkes eingelaufen sind, besuchen und jede den Gesetzen
entsprechende Hilfe und Unterstützung gewähren.
(2)
Soll in einem Hafen des Empfangsstaates auf einem Schiff unter der Flagge des
Entsendestaates eine Durchsuchung, eine Besichtigung, eine Festnahme, eine Vernehmung oder
ein sonstiger mit Zwang verbundener Gerichts- oder Verwaltungsakt vorgenommen werden, so
soll vor einer solchen Maßnahme der zuständige Konsul hiervon benachrichtigt werden,
damit er zugegen sein kann. Diese Bestimmung findet auch Anwendung, wenn Mitglieder der
Schiffsbesatzung an Land von den Behörden des Hafenortes vernommen werden sollen.
(3)
Die Bestimmungen von Absatz 2 dieses Artikels erstrecken sich nicht auf die gewöhnliche
Zollrevision, auf die gesundheitspolizeiliche Untersuchung und die Paßkontrolle, die auf
Grund der im Empfangsstaat geltenden Gesetze und Verwaltungsvorschriften durchgeführt
werden.
Artikel 31
(1)
Erleidet ein Schiff unter der Flagge des Entsendestaates Schiffbruch, gerät es auf Grund,
strandet es an der Küste des Empfangsstaates oder erleidet es im Hoheitsgebiet des
Empfangsstaates eine andere Havarie, so benachrichtigen die zuständigen Behörden
unverzüglich den Konsul des Flaggenstaates hiervon und teilen ihm die von ihnen
ergriffenen Maßnahmen zur Rettung von Menschen, Schiff und Ladung mit. Die zuständigen
Behörden gewähren dem Konsul die erforderliche Unterstützung bei Maßnahmen, die er im
Zusammenhang mit der Havarie des Schiffes ergreift.
(2)
Soweit nicht Verabredungen zwischen den Reedern, Befrachtern und Versicherern
entgegenstehen, wird die während der Fahrt von dem Schiff unter der Flagge des
Entsendestaates erlittene Havarie von dem Konsul geregelt, wenn das Schiff einen Hafen des
Empfangsstaates anläuft. Diese Regelung erfolgt jedoch durch die Behörden des
Empfangsstaates, wenn eine Person beteiligt ist, die nicht Staatsangehörige des
Entsendestaates ist, und eine endgültige Einigung nicht zustande kommt.
Artikel 32
Der Konsul ist hinsichtlich der Besatzung von Schiffen unter der Flagge des
Entsendestaates zur An- und Abmusterung von Seeleuten befugt; jedoch dürfen dabei die
Gesetze des Empfangsstaates nicht verletzt werden.
Artikel 33
Unter "Schiffe" im Sinne dieses Vertrages fallen nicht Kriegsschiffe.
Artikel 34
Die Bestimmungen der Artikel 30, 31
und 33 dieses Vertrages finden auf Luftfahrzeuge entsprechende
Anwendung.
VIERTER ABSCHNITT
Schlußbestimmungen
Artikel 35
Die Bestimmungen dieses Vertrages über konsularische Rechte und Pflichten finden auf
die Angehörigen der Botschaften der beiden Vertragsparteien Anwendung, soweit diese im
Empfangsstaate konsularische Amtsbefugnisse ausüben. Die Ausübung konsularischer
Amtsbefugnisse durch diese Personen läßt die diplomatischen Privilegien und Immunitäten
unberührt, die sie als Angehörige der Botschaft genießen.
Artikel 36
Fragen, die sich etwa zwischen den Vertragsparteien bei der Auslegung und Anwendung
dieses Vertrages ergeben, werden auf diplomatischem Wege geregelt.
Artikel 37
(1)
Dieser Vertrag bedarf der Ratifizierung; er tritt am dreißigsten Tage nach dem Austausch
der Ratifikationsurkunden, der in Moskau stattfinden soll, in Kraft.
(2)
Der Vertrag wird auf die Dauer von fünf Jahren geschlossen. Wird er nicht mindestens
sechs Monate vor Ablauf dieser Frist von einer Vertragspartei gekündigt, so bleibt er
weiter in Geltung bis zum Ablauf eines Jahres von dem Tage an, an dem er von einer
Vertragspartei gekündigt wird.
ZU URKUND DESSEN haben die Bevollmächtigten beider Vertragsparteien diesen Vertrag
unterschreiben und mit ihren Siegeln versehen.
GESCHEHEN ZU BONN am 25. April 1958 in zwei Urschriften, jede in deutscher und russischer
Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.
Für den Präsidenten
der Bundesrepublik Deutschland
gezeichnet:
von Brentano
Lahr
Für das Präsidium
des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
gezeichnet:
A. Mikojan
W. Semjonow