Vertrag

zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik

über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung

gerichtlicher Entscheidungen

in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit

 

 

Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland

 

und

 

der Präsident der Tunesischen Republik,

 

von dem Wunsche geleitet, die zwischen beiden Staaten bestehenden engen Beziehungen aufrechtzuerhalten und zu verstärken und in Angelegenheiten des Zivil- und Handelsrechts den Rechtsschutz, die Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen zu regeln, sowie

 

in dem Wunsch, gewisse Fragen der Handelsschiedsgerichtsbarkeit zu regeln, um die beiderseitigen Handelsbeziehungen zu fördern,

 

sind übereingekommen, einen Vertrag zu schließen, und haben hierfür zu ihren Bevollmächtigten ernannt:

 

 

Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland

Herrn Dr. Gerhard Schröder

Bundesminister des Auswärtigen

 

Der Präsident der Tunesischen Republik

Herrn Habib Bourguiba junior

Minister des Auswärtigen.

 

 

Die Bevollmächtigten haben nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Bestimmungen vereinbart:

 

 

Erster Titel

Rechtsschutz in Zivil- und Handelssachen

 

Kapitel I

Freier Zutritt zu den Gerichten

 

 

Artikel 1

 

In Zivil- und Handelssachen haben die Angehörigen des einen Vertragsstaates freien Zutritt zu den Gerichten des anderen Staates und können vor dessen Gerichten unter denselben Bedingungen und in derselben Weise wie die eigenen Staatsangehörigen als Kläger oder Beklagte auftreten. Sie können insbesondere im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften sich durch frei gewählte Rechtsanwälte oder andere Personen als Bevollmächtigte vertreten oder als Beistände unterstützen lassen.

 

 

Artikel 2

 

(1) Den Angehörigen eines Staates stehen für die Anwendung dieses Titels juristische Personen, Gesellschaften oder Vereinigungen gleich, die nach dem Recht eines der beiden Staaten errichtet sind und in einem dieser Staaten ihren Sitz haben.

 

(2) Ihre Fähigkeit, vor den Gerichten dieses Staates als Kläger oder Beklagte aufzutreten, wird auch im Hoheitsgebiete des anderen Staates anerkannt.

 

 

Kapitel II

Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten

 

 

Artikel 3

 

(1) In Zivil- und Handelssachen darf den Angehörigen des einen Staates, die vor den Gerichten des anderen Staates als Kläger oder Intervenienten auftreten, wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder mangels eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthalts eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht auferlegt werden. Diese Befreiung wird nur solchen Angehörigen eines Staates gewährt, die in einem der beiden Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

 

(2) Das gleiche gilt für Vorschüsse, die von den Klägern oder Intervenienten zur Deckung der Gerichtskosten einzufordern wären.

 

 

Kapitel III

Gewährung des Armenrechts

 

 

Artikel 4

 

In Zivil- und Handelssachen werden die Angehörigen des einen Staates in dem anderen Staate zum Armenrecht ebenso wie die eigenen Staatsangehörigen zugelassen, sofern sie sich nach den gesetzlichen Vorschriften des Staates richten, in dem das Armenrecht nachgesucht wird.

 

 

Artikel 5

 

(1) Die Bescheinigung des Unvermögens ist von der zuständigen Behörde des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Antragstellers und beim Fehlen eines solchen von der zuständigen Behörde seines derzeitigen Aufenthaltsortes auszustellen.

 

(2) Liegt der Ort des gewöhnlichen oder derzeitigen Aufenthalts des Antragstellers nicht in einem der beiden Staaten, so kann die Bescheinigung auch durch den zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertreter des Staates, dem der Antragsteller angehört, ausgestellt werden.

 

(3) Hält der Antragsteller sich nicht in dem Staat auf, in dem das Armenrecht nachgesucht wird, so ist die Bescheinigung des Unvermögens von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter des Staates, in dem sie vorgelegt werden soll, kostenfrei zu legalisieren; die im Absatz 2 vorgesehene Bescheinigung des diplomatischen oder konsularischen Vertreters bedarf keiner Legalisation.

 

 

Artikel 6

 

(1) Die Behörde, die für die Ausstellung der Bescheinigung des Unvermögens zuständig ist, kann bei den Behörden des Staates, dem der Antragsteller angehört, Auskünfte über seine Vermögenslage einholen.

 

(2) Die Gerichte oder Behörden, die über den Antrag auf Bewilligung des Armenrechts zu entscheiden haben, sind an die Bescheinigung des Unvermögens nicht gebunden und berechtigt, ergänzende Angaben zu verlangen.

 

 

Artikel 7

 

(1) Hält sich der Antragsteller nicht in dem Staat auf, in dem das Armenrecht nachgesucht werden soll, so kann sein Antrag auf Bewilligung des Armenrechts zusammen mit der Bescheinigung des Unvermögens und gegebenenfalls mit weiteren für die Behandlung des Antrags sachdienlichen Unterlagen durch den Konsul seines Staates der zuständigen Empfangsstelle des anderen Staates übermittelt werden.

 

(2) Diese Empfangsstelle ist:

 

1. in der Bundesrepublik Deutschland der Präsident des Landgerichts oder der Präsident des Amtsgerichts,

 

2. in der Tunesischen Republik der Procureur de la République près le tribunal de première instance (Staatsanwalt bei dem Gericht erster Instanz),

 

in dessen Bezirk das Armenrecht nachgesucht werden soll.

 

(3) Ist die Stelle, welcher der Antrag auf Bewilligung des Armenrechts übermittelt worden ist, nicht zuständig, so gibt sie das Ersuchen von Amts wegen der zuständigen Empfangsstelle ab und benachrichtigt hiervon unverzüglich den Konsul.

 

(4) Die Bestimmungen, die in den Artikeln 20 und 23 für Rechtshilfeersuchen vorgesehen sind, gelten auch für die Übermittlung von Anträgen auf Bewilligung des Armenrechts und ihrer Anlagen.

 

 

Zweiter Titel

Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen

 

Kapitel I

Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke

 

Erster Abschnitt

Zustellungsantrag

 

 

Artikel 8

 

In Zivil- und Handelssachen stellen die Behörden des einen Staates Personen, die sich in seinem Hoheitsgebiet befinden, auf Antrag der Gerichte oder Behörden des anderen Staates gerichtliche oder außergerichtliche Schriftstücke zu.

 

 

Artikel 9

 

(1) Der Antrag auf Zustellung ist von dem Konsul des ersuchenden Staates der zuständigen Empfangsstelle des ersuchten Staates zu übermitteln.

 

(2) Diese Empfangsstelle ist:

 

1. in der Bundesrepublik Deutschland der Präsident des Landgerichts oder der Präsident des Amtsgerichts, in dessen Bezirk sich der Empfänger aufhält,

 

2. in der Tunesischen Republik der Procureur Général de la République (Generalstaatsanwalt der Republik).

 

 

Artikel 10

 

Der Antrag auf Zustellung hat zu bezeichnen:

 

1. das Gericht oder die Behörde, von dem oder von der er ausgeht,

 

2. den Namen und die Stellung der Parteien,

 

3. die genaue Anschrift des Empfängers,

 

4. die Art des zuzustellenden Schriftstücks.

 

 

Artikel 11

 

(1) Der Zustellungsantrag und das zuzustellende Schriftstück müssen entweder in der Sprache des ersuchten Staates abgefaßt oder von einer Übersetzung in diese Sprache begleitet sein.

 

(2) Die Übersetzungen sind von einem amtlich bestellten oder vereidigten Übersetzer oder von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter eines der beiden Staaten als richtig zu bescheinigen.

 

(3) Der Antrag und seine Anlagen bedürfen keiner Legalisation und vorbehaltlich des Absatzes 2 keiner ähnlichen Förmlichkeit.

 

 

Artikel 12

 

(1) Die Zustellung wird durch die Behörde bewirkt, die nach dem Recht des ersuchten Staates zuständig ist.

 

(2) Die ersuchte Behörde läßt das Schriftstück zustellen:

 

1. in der durch ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften für die Bewirkung gleichartiger Zustellungen vorgeschriebenen Form; die ersuchte Behörde darf jedoch zunächst versuchen, die Zustellung durch einfache Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger zu bewirken, wenn dieser zur Annahme bereit ist; oder

 

2. in einer von dem ersuchenden Gericht oder der ersuchenden Behörde gewünschten besonderen Form, sofern diese dem Recht des ersuchten Staates nicht zuwiderläuft.

 

 

Artikel 13

 

(1) Die Zustellung kann nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden.

 

(2) Die Zustellung darf nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil der ersuchte Staat für die Sache, in welcher der Zustellungsantrag gestellt wird, die ausschließliche Zuständigkeit für seine Gerichte in Anspruch nimmt oder weil sein Recht ein Verfahren dieser Art nicht kennt.

 

 

Artikel 14

 

(1) Zum Nachweis der Zustellung dient entweder ein mit Datum versehenes und vom Empfänger unterzeichnetes sowie von der ersuchten Behörde beglaubigtes Empfangsbekenntnis oder ein Zeugnis der Behörde des ersuchten Staates, aus dem sich die Tatsache, die Form und die Zeit der Zustellung ergeben.

 

(2) Die ersuchte Behörde übersendet die Urkunde, durch welche die Zustellung nachgewiesen wird, dem Konsul des ersuchenden Staates.

 

(3) Kann die Zustellung nicht bewirkt werden, so übersendet die ersuchte Behörde dem Konsul des ersuchenden Staates eine Urkunde, aus der sich der die Zustellung hindernde Umstand ergibt.

 

 

Artikel 15

 

(1) Für Zustellungen dürfen Gebühren oder Auslagen irgendwelcher Art nicht erhoben werden.

 

(2) Der ersuchte Staat ist jedoch berechtigt, von dem ersuchenden Staat die Erstattung der Auslagen zu verlangen, die dadurch entstanden sind, daß bei der Zustellung eine besondere Form nach Artikel 12 Abs. 2 Nr. 2 eingehalten worden ist. Der ersuchende Staat erstattet diese Kosten unverzüglich ohne Rücksicht darauf, ob er sie von den beteiligten Parteien zurückerhält oder nicht.

 

 

Artikel 16

 

Jeder der beiden Staaten hat die Befugnis, Zustellungen an eigene Staatsangehörige, die sich im Hoheitsgebiete des anderen Staates befinden, durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter ohne Anwendung von Zwang bewirken zu lassen. Kommen für die Beurteilung der Staatsangehörigkeit des Empfängers verschiedene Rechte in Betracht, so ist das Recht des Staates maßgebend, in dem die Zustellung bewirkt werden soll.

 

 

Zweiter Abschnitt

Besonderer Schutz des Beklagten bei Zustellung gerichtlicher Schriftstücke

 

 

Artikel 17

 

(1) Ist zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens des Zivil- oder Handelsrechts in dem einen Staate eine Klage, eine Vorladung oder ein anderes Schriftstück dem Beklagten in dem anderen Staate zuzustellen, so darf das Gericht, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren nicht einläßt, keine Entscheidung erlassen, bevor nicht festgestellt ist, daß die Klage, die Vorladung oder das andere Schriftstück

 

1. dem Beklagten auf einem der in diesem Vertrage vorgesehenen Wege zugestellt oder

 

2. ihm tatsächlich ausgehändigt worden ist.

 

Die Zustellung oder Aushändigung muß so rechtzeitig erfolgt sein, daß der Beklagte in der Lage war, sich zu verteidigen.

 

(2) Sind jedoch seit der Übermittlung eines Zustellungsantrages an die Empfangsstelle des ersuchten Staates (Artikel 9) acht Monate vergangen, so darf das Gericht, auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt sind, eine Entscheidung erlassen, sofern festgestellt wird, daß im ersuchenden Staat alle Maßnahmen getroffen worden sind, damit das Ersuchen hätte erledigt werden können.

 

(3) Die Bestimmungen dieses Artikels stehen dem Erlaß einstweiliger Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherstellung gerichtet sind, nicht entgegen.

 

 

Kapitel II

Rechtshilfeersuchen

 

 

Artikel 18

 

In Zivil- und Handelssachen nehmen die Gerichte des einen Staates auf Ersuchen der Gerichte des anderen Staates Beweisaufnahmen oder andere gerichtliche Handlungen innerhalb ihrer Zuständigkeit vor.

 

 

Artikel 19

 

(1) Das Rechtshilfeersuchen ist von dem Konsul des ersuchenden Staates der zuständigen Empfangsstelle des ersuchten Staates zu übermitteln.

 

(2) Diese Empfangsstelle ist:

 

1. in der Bundesrepublik Deutschland der Präsident des Landgerichts oder der Präsident des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die gewünschte Amtshandlung vorgenommen werden soll,

 

2. in der Tunesischen Republik der Procureur Général de la République (Generalstaatsanwalt der Republik).

 

 

Artikel 20

 

(1) Das Rechtshilfeersuchen muß entweder in der Sprache des ersuchten Staates abgefaßt oder von einer Übersetzung in diese Sprache begleitet sein.

 

(2) Die Übersetzung ist von einem amtlich bestellten oder vereidigten Übersetzer oder von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter eines der beiden Staaten als richtig zu bescheinigen.

 

(3) Das Rechtshilfeersuchen bedarf keiner Legalisation und vorbehaltlich des Absatzes 2 keiner ähnlichen Förmlichkeit.

 

 

Artikel 21

 

(1) Das ersuchte Gericht hat das Ersuchen in derselben Weise und unter denselben Bedingungen auszuführen wie ein entsprechendes Ersuchen eines Gerichts des ersuchten Staates.

 

(2) Dem Antrag des ersuchenden Gerichts, nach einer besonderen Form zu verfahren, ist zu entsprechen, sofern diese Form dem Recht des ersuchten Staates nicht zuwiderläuft.

 

(3) Das ersuchende Gericht ist auf sein Verlangen von der Zeit und dem Ort der auf das Ersuchen vorzunehmenden Handlung zu benachrichtigen, damit die beteiligten Parteien in der Lage sind, ihr beizuwohnen.

 

 

Artikel 22

 

(1) Die Erledigung des Rechtshilfeersuchens kann nur abgelehnt werden:

 

1. wenn die Echtheit des Ersuchens nicht feststeht;

 

2. wenn die Erledigung des Ersuchens in dem ersuchten Staat nicht in den Bereich der Gerichtsbarkeit fällt;

 

3. wenn der ersuchte Staat die Erledigung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden.

 

(2) Die Erledigung darf nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil der ersuchte Staat für die Sache, in der das Rechtshilfeersuchen gestellt wird, die ausschließliche Zuständigkeit für seine Gerichte in Anspruch nimmt oder weil sein Recht ein Verfahren dieser Art nicht kennt.

 

 

Artikel 23

 

Ist das ersuchte Gericht nicht zuständig, so hat es das Rechtshilfeersuchen von Amts wegen an das zuständige Gericht des ersuchten Staates nach den von dessen Recht aufgestellten Regeln abzugeben. Über die Abgabe des Ersuchens ist der Konsul des ersuchenden Staates unter Bezeichnung des Gerichts, an welches das Ersuchen abgegeben wurde, unverzüglich zu benachrichtigen.

 

 

Artikel 24

 

(1) Das ersuchte Gericht übersendet die Urkunde, aus der sich die Erledigung des Ersuchens ergibt, dem Konsul des ersuchenden Staates.

 

(2) Kann das Ersuchen nicht erledigt werden, so ist der Konsul des ersuchenden Staates hierüber unter Angabe der Gründe, die der Erledigung des Ersuchens entgegenstehen, zu unterrichten.

 

Artikel 25

 

(1) Für die Erledigung eines Rechtshilfeersuchens dürfen Gebühren oder Auslagen irgendwelcher Art nicht erhoben werden.

 

(2) Der ersuchte Staat kann jedoch von dem ersuchenden Staat verlangen, daß dieser die Entschädigungen, die an Sachverständige oder Dolmetscher gezahlt worden sind, sowie die Auslagen erstattet, die durch die Erledigung des Rechtshilfeersuchens in einer besonderen Form (Artikel 21 Abs. 2) entstanden sind. Der ersuchende Staat wird die Kosten ohne Rücksicht darauf, ob er sie von den beteiligten Parteien zurückerhält, unverzüglich erstatten.

 

 

Artikel 26

 

Jeder der beiden Staaten hat die Befugnis, Rechtshilfeersuchen, die sich auf eigene Staatsangehörige im Hoheitsgebiete des anderen Staates beziehen, durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter ohne Anwendung von Zwang ausführen zu lassen. Kommen für die Beurteilung der Staatsangehörigkeit der Person, auf die sich das Ersuchen bezieht, verschiedene Rechte in Betracht, so ist das Recht des Staates maßgebend, in dem das Rechtshilfeersuchen ausgeführt werden soll.

 

 

Dritter Titel

Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

 

Kapitel I

Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen

 

 

Artikel 27

 

(1) In Zivil- und Handelssachen werden Entscheidungen der Gerichte des einen Staates in dem anderen Staat anerkannt, wenn sie die Rechtskraft erlangt haben.

 

(2) Unter Entscheidungen im Sinne dieses Kapitels sind alle gerichtlichen Entscheidungen ohne Rücksicht auf ihre Benennung (Urteile, Beschlüsse, Vollstreckungsbefehle) und ohne Rücksicht darauf zu verstehen, ob sie in einem Verfahren der streitigen oder der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen sind. Ausgenommen sind jedoch diejenigen Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die in einem einseitigen Verfahren erlassen sind.

 

(3) Als gerichtliche Entscheidungen gelten auch die Beschlüsse der Urkundsbeamten, durch die der Betrag der Kosten des Prozesses später festgesetzt wird.

 

(4) Einstweilige Anordnungen, die auf eine Geldleistung lauten, werden anerkannt, auch wenn sie die Rechtskraft noch nicht erlangt haben.

 

 

Artikel 28

 

(1) In Angelegenheiten, die den Ehe- oder Familienstand, die Rechts- oder Handlungsfähigkeit oder die gesetzliche Vertretung einer Person betreffen, gilt dieser Titel nur für Entscheidungen in Ehe- oder Unterhaltssachen.

 

(2) Dieser Titel findet keine Anwendung:

 

1. auf Entscheidungen, die in einem Konkurs-, einem Vergleichs- oder einem entsprechenden Verfahren ergangen sind, einschließlich der Entscheidungen, durch die für ein solches Verfahren über die Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Schuldners gegenüber den Gläubigern erkannt wird;

 

2. auf Entscheidungen in Angelegenheiten der sozialen Sicherheit,

 

 

Artikel 29

 

(1) Die Anerkennung der Entscheidung darf nur versagt werden:

 

1. wenn für die Gerichte des Entscheidungsstaates eine Zuständigkeit im Sinne der Artikel 31 und 32 nicht anzuerkennen ist;

 

2. wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaates widerspricht;

 

3. wenn die Entscheidung durch betrügerische Machenschaften erwirkt worden ist;

 

4. wenn ein Verfahren zwischen denselben Parteien und wegen desselben Gegenstandes vor einem Gericht des Anerkennungsstaates anhängig ist und wenn dieses Gericht zuerst angerufen wurde;

 

5. wenn die Entscheidung mit einer im Anerkennungsstaat ergangenen rechtskräftigen Entscheidung unvereinbar ist.

 

(2) Hat sich der Beklagte auf das Verfahren nicht eingelassen, so kann die Anerkennung der Entscheidung auch versagt werden, wenn die Klage, die Vorladung oder ein anderes der Einleitung des Verfahrens dienendes Schriftstück dem Beklagten nicht nach dem Recht des Entscheidungsstaates und, wenn er sich im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens im Anerkennungsstaat befand, nicht auf einem der in den Artikeln 8 bis 16 vorgesehenen Wege zugestellt worden ist. Auch wenn die Zustellung auf diese Weise durchgeführt worden ist, darf die Anerkennung versagt werden, wenn der Beklagte nachweist, daß er ohne sein Verschulden von der Klage, der Vorladung oder dem anderen der Einleitung des Verfahrens dienenden Schriftstück nicht zeitig genug Kenntnis erhalten hat.

 

(3) Die Anerkennung von Entscheidungen, durch welche die Kosten dem mit der Klage abgewiesenen Kläger auferlegt wurden, kann nur abgelehnt werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaates widerspricht. Diese Bestimmung ist auch auf die in Artikel 27 Abs. 3 angeführten Entscheidungen anzuwenden.

 

 

Artikel 30

 

(1) Die Anerkennung darf nicht allein deshalb versagt werden, weil das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, nach den Regeln seines internationalen Privatrechts andere Gesetze angewendet hat, als sie nach dem internationalen Privatrecht des Anerkennungsstaates anzuwenden gewesen wären.

 

(2) Die Anerkennung darf jedoch aus dem in Absatz 1 genannten Grunde versagt werden, wenn die Entscheidung auf der Beurteilung eines ehe- oder sonstigen familienrechtlichen Verhältnisses, der Rechts- oder Handlungsfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung oder eines erbrechtlichen Verhältnisses eines Angehörigen des Anerkennungsstaates beruht. Das gleiche gilt für eine Entscheidung, die auf der Beurteilung der Rechts- oder Handlungsfähigkeit einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Vereinigung beruht, sofern diese nach dem Recht des Anerkennungsstaates errichtet ist und in diesem Staate ihren Sitz oder ihre Hauptniederlassung hat. Die Entscheidung ist dennoch anzuerkennen, wenn sie auch bei Anwendung des internationalen Privatrechts des Anerkennungsstaates gerechtfertigt wäre.

 

 

Artikel 31

 

(1) Die Zuständigkeit der Gerichte des Entscheidungsstaates wird im Sinne des Artikels 29 Abs. 1 Nr. 1 anerkannt:

 

1. wenn zur Zeit der Einleitung des Verfahrens der Beklagte in dem Entscheidungsstaate seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder, falls es sich um eine juristische Person, eine Gesellschaft oder eine Vereinigung handelt, seinen Sitz oder seine Hauptniederlassung hatte;

 

2. wenn der Beklagte im Entscheidungsstaat eine geschäftliche Niederlassung oder Zweigniederlassung hatte und für Ansprüche aus deren Betriebe belangt worden ist;

 

3. wenn die Klage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses oder Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand hatte und wenn der Betrieb oder die Arbeitsstelle, wo die Arbeit zu leisten war, im Entscheidungsstaat lag; wurde der Arbeitnehmer von seinem Unternehmen oder Betrieb aus zu einer Tätigkeit in den anderen Staat oder in einen dritten Staat entsandt oder wurde der Arbeitnehmer von seinem Unternehmen oder Betrieb zu einer Tätigkeit in dem anderen Staat oder einem dritten Staat eingesetzt und erhielt er von dem Unternehmen oder Betrieb aus auch seine Anweisungen, so sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem das Unternehmen oder der Betrieb seinen Sitz hatte;

 

4. wenn die Klage einen Unterhaltsanspruch zum Gegenstand hatte und wenn der Unterhaltsberechtigte zur Zeit der Einleitung des Verfahrens in dem Entscheidungsstaat seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte;

 

5. wenn die Klage auf eine unerlaubte Handlung oder auf eine Handlung, die nach dem Recht des Entscheidungsstaates einer unerlaubten Handlung gleichgestellt wird, gegründet worden ist und wenn der Täter sich bei Begehung der schädigenden Handlung im Hoheitsgebiete des Entscheidungsstaates aufgehalten hatte;

 

6. wenn mit der Klage ein Recht an einer unbeweglichen Sache oder ein Anspruch aus einem Recht an einer solchen Sache geltend gemacht worden ist und wenn die unbewegliche Sache im Entscheidungsstaat belegen ist;

 

7. wenn die Klage in einer Erbschaftsstreitigkeit erhoben worden ist und wenn der Erblasser Angehöriger des Entscheidungsstaates war oder wenn der Erblasser Angehöriger eines dritten Staates war und seinen letzten Wohnsitz im Entscheidungsstaate hatte, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob zu dem Nachlaß bewegliche oder unbewegliche Sachen gehören;

 

8. wenn es sich um eine Widerklage gehandelt hat, bei welcher der Gegenanspruch mit der im Hauptprozeß erhobenen Klage im rechtlichen Zusammenhang stand, und wenn für die Gerichte des Entscheidungsstaates eine Zuständigkeit im Sinne dieses Vertrages zur Entscheidung über die im Hauptprozeß erhobene Klage selbst anzuerkennen ist;

 

9. wenn mit der Klage ein Anspruch auf Schadensersatz oder auf Herausgabe des Erlangten deshalb geltend gemacht worden ist, weil eine Vollstreckung aus einer Entscheidung eines Gerichts des anderen Staates betrieben worden war, die in diesem Staat aufgehoben oder abgeändert worden ist.

 

(2) Die Zuständigkeit der Gerichte des Entscheidungsstaates wird jedoch nicht anerkannt, wenn nach dem Recht des Anerkennungsstaates dessen Gerichte für die Klage, die zu der Entscheidung geführt hat, ausschließlich zuständig sind.

 

 

Artikel 32

 

(1) In Ehesachen sind die Gerichte des Entscheidungsstaates im Sinne dieses Titels zuständig, wenn beide Ehegatten nicht die Staatsangehörigkeit des Anerkennungsstaates besitzen; gehören beide Ehegatten einem dritten Staate an, so wird die Zuständigkeit der Gerichte des Entscheidungsstaates nicht anerkannt, wenn die Entscheidung nicht in dem dritten Staate anerkannt würde.

 

(2) Besaß auch nur einer der beiden Ehegatten die Staatsangehörigkeit des Anerkennungsstaates, so sind die Gerichte des Entscheidungsstaates im Sinne dieses Titels zuständig, wenn der Beklagte zur Zeit der Einleitung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Entscheidungsstaat hatte oder wenn die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Entscheidungsstaat hatten und einer der Ehegatten zur Zeit der Einleitung des Verfahrens sich im Entscheidungsstaat aufhielt.

 

 

Artikel 33

 

Wird die in einem Staate ergangene Entscheidung in dem anderen Staate geltend gemacht, so darf nur geprüft werden, ob einer der in Artikel 29 und in Artikel 30 Abs. 2 genannten Versagungsgründe vorliegt.

 

 

Kapitel II

Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen

 

 

Artikel 34

 

Gerichtliche Entscheidungen, die in einem Staate vollstreckbar und in dem anderen Staate nach Maßgabe des vorstehenden Kapitels anzuerkennen sind, werden in diesem Staate vollstreckt, nachdem sie dort für vollstreckbar erklärt worden sind.

 

 

Artikel 35

 

Das Verfahren und die Wirkungen der Vollstreckbarerklärung richten sich nach dem Recht des Vollstreckungsstaates.

 

 

Artikel 36

 

Den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jeder stellen, der in dem Entscheidungsstaate Rechte aus der Entscheidung herleiten kann.

 

 

Artikel 37

 

(1) Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist zu richten:

 

1. in der Bundesrepublik Deutschland an das Landgericht,

 

2. in der Tunesischen Republik an das Tribunal de première instance (Gericht erster Instanz).

 

(2) Örtlich zuständig ist das Landgericht oder das Tribunal de première instance, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hat oder die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll; unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten hat die betreibende Partei die Wahl.

 

 

Artikel 38

 

(1) Die Partei, welche die Vollstreckbarerklärung beantragt, hat beizubringen:

 

1. eine Ausfertigung der Entscheidung mit Gründen, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen nach dem Recht des Entscheidungsstaates erfüllt;

 

2. eine Urkunde, aus der sich ergibt, daß die Entscheidung nach dem Recht des Entscheidungsstaates vollstreckbar ist;

 

3. eine Urkunde, aus der sich ergibt, daß die Entscheidung nach dem Recht des Entscheidungsstaates die Rechtskraft erlangt hat;

 

4. die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Urkunde, aus der sich ergibt, daß die den Rechtsstreit einleitende Klage, Vorladung oder ein anderes der Einleitung des Verfahrens dienendes Schriftstück dem Beklagten nach dem Recht des Entscheidungsstaates oder gegebenenfalls auf einem der in den Artikeln 8 bis 16 vorgesehenen Wege zugestellt worden ist, sofern sich der Beklagte auf das Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, nicht eingelassen hat;

 

5. eine Übersetzung der vorerwähnten Urkunden in die Sprache des Vollstreckungsstaates, die von einem amtlich bestellten oder vereidigten Übersetzer oder einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter eines der beiden Staaten als richtig bescheinigt sein muß.

 

(2) Die in dem vorstehenden Absatz angeführten Urkunden bedürfen keiner Legalisation und vorbehaltlich des Absatzes 1 Nr. 5 keiner ähnlichen Förmlichkeit.

 

 

Artikel 39

 

(1) Das Gericht, bei dem die Vollstreckbarerklärung beantragt wird, hat sich auf die Prüfung zu beschränken:

 

1. ob die nach Artikel 38 erforderlichen Urkunden beigebracht sind;

 

2. ob einer der in Artikel 29 Abs. 1 und 2 und in Artikel 30 Abs. 2 genannten Versagungsgründe vorliegt.

 

(2) Darüber hinaus darf die Entscheidung nicht nachgeprüft werden.

 

(3) Die Vollstreckung von Entscheidungen, durch welche die Kosten dem mit der Klage abgewiesenen Kläger auferlegt wurden, kann nur abgelehnt werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates widerspricht. Diese Bestimmung ist auch auf die in Artikel 27 Abs. 3 angeführten Entscheidungen anzuwenden.

 

 

Artikel 40

 

Das Gericht kann auch nur einen Teil der Entscheidung für vollstreckbar erklären:

 

1. wenn die Entscheidung einen oder mehrere Ansprüche betrifft und die betreibende Partei beantragt, die Entscheidung nur hinsichtlich eines oder einiger Ansprüche oder hinsichtlich eines Teils des Anspruchs für vollstreckbar zu erklären;

 

2. wenn die Entscheidung mehrere Ansprüche betrifft und der Antrag nur wegen eines oder einiger Ansprüche begründet ist.

 

 

Artikel 41

 

Wird die Entscheidung für vollstreckbar erklärt, so ordnet das Gericht zugleich die Maßnahmen an, die erforderlich sind, um der ausländischen Entscheidung die gleichen Wirkungen beizulegen, die sie haben würde, wenn sie von den Gerichten des Vollstreckungsstaates erlassen worden wäre.

 

 

Kapitel III

Vollstreckung gerichtlicher Vergleiche und öffentlicher Urkunden

 

 

Artikel 42

 

(1) Vergleiche, die in einem Verfahren vor dem Gericht des einen Staates abgeschlossen und zu gerichtlichem Protokoll genommen worden sind, werden in dem anderen Staate wie gerichtliche Entscheidungen vollstreckt, wenn sie in dem Staate, in dem sie errichtet wurden, vollstreckbar sind.

 

(2) Für den Antrag, den Vergleich für vollstreckbar zu erklären, und für das weitere Verfahren gelten die Artikel 35 bis 41 entsprechend.

 

Bei der Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat sich das angerufene Gericht auf die Prüfung zu beschränken:

 

1. ob die erforderlichen Urkunden beigebracht sind;

 

2. ob die Parteien nach dem Recht des Vollstreckungsstaates berechtigt sind, über den Gegenstand des Verfahrens einen Vergleich zu schließen;

 

3. ob die Vollstreckung der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates widerspricht.

 

 

Artikel 43

 

(1) Öffentliche Urkunden, die in dem einen Staate aufgenommen und vollstreckbar sind, können in dem anderen Staate für vollstreckbar erklärt werden.

 

(2) Das Gericht des Vollstreckungsstaates hat sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Ausfertigung der öffentlichen Urkunde die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen nach dem Recht des Staates erfüllt, in dem die Urkunde aufgenommen worden ist, und ob die Vollstreckbarerklärung der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates widerspricht.

 

 

Kapitel IV

Sonstige Bestimmungen

 

 

Artikel 44

 

(1) Die Gerichte des einen Staates werden auf Antrag einer Prozeßpartei die Klage zurückweisen oder, falls sie es für zweckmäßig erachten, das Verfahren aussetzen, wenn ein Verfahren zwischen denselben Parteien und wegen desselben Gegenstandes in dem anderen Staate bereits anhängig ist und in diesem Verfahren eine Entscheidung ergehen kann, die in ihrem Staate anzuerkennen sein wird.

 

(2) Jedoch können in Eilfällen die Gerichte eines jeden Staates die in ihrem Recht vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, anordnen, und zwar ohne Rücksicht darauf, welches Gericht mit der Hauptsache befaßt ist.

 

 

Artikel 45

 

Dieser Titel berührt nicht die Bestimmungen anderer Verträge, die zwischen beiden Staaten gelten und die für besondere Rechtsgebiete die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen regeln.

 

 

Artikel 46

 

Die Vorschriften dieses Titels sind nur auf solche gerichtlichen Entscheidungen und Vergleiche sowie auf solche öffentlichen Urkunden anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten dieses Vertrages erlassen oder errichtet werden.

 

 

Vierter Titel

Schiedsvereinbarungen und Schiedssprüche in Handelssachen

 

 

Kapitel I

Anerkennung von Schiedsvereinbarungen

 

 

Artikel 47

 

(1) Jeder der beiden Staaten erkennt eine schriftliche Vereinbarung an, durch die sich die Parteien verpflichten, einem schiedsrichterlichen Verfahren alle oder einzelne Streitigkeiten zu unterwerfen, die zwischen ihnen aus einem bestimmten Rechtsverhältnis bereits entstanden sind oder etwa künftig entstehen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das Rechtsverhältnis vertraglicher oder nichtvertraglicher Art ist.

 

(2) Unter einer schriftlichen Vereinbarung im Sinne des vorstehenden Absatzes ist eine Schiedsabrede oder eine Schiedsklausel zu verstehen, sofern die Abrede oder die Klausel von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen, Telegrammen oder Fernschreiben, welche die Parteien gewechselt haben, oder in einer Niederschrift des Schiedsgerichts enthalten ist.

 

(3) Die Schiedsvereinbarung ist nur anzuerkennen:

 

1. wenn das Rechtsverhältnis, aus dem die Streitigkeit entsteht, nach dem Recht des Anerkennungsstaates als Handelssache anzusehen ist;

 

2. wenn die Vereinbarung zwischen Personen getroffen worden ist, von denen bei Abschluß der Vereinbarung die eine Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder, falls es sich um eine juristische Person oder eine Gesellschaft handelt, ihren Sitz oder ihre Hauptniederlassung in dem einen Staat und die andere Partei in dem anderen Staat hatte;

 

3. wenn die Streitigkeit nach dem Recht des Anerkennungsstaates auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden kann.

 

 

Artikel 48

 

In schiedsrichterlichen Verfahren, die auf einer Vereinbarung im Sinne des Artikels 47 beruhen, können Angehörige eines der beiden Staaten oder eines dritten Staates zu Schiedsrichtern bestellt werden.

 

 

Artikel 49

 

(1) Den Parteien einer Schiedsvereinbarung steht es frei zu bestimmen:

 

1. daß der oder die Schiedsrichter einer Liste zu entnehmen sind, die eine von den Parteien namentlich zu bezeichnende internationale Organisation für die Schiedsgerichtsbarkeit führt;

 

2. daß jede Partei einen Schiedsrichter ernennt und die beiden Schiedsrichter ihrerseits einen dritten Schiedsrichter ernennen; der dritte Schiedsrichter muß entweder in der Schiedsvereinbarung bestimmt oder auf Grund der Schiedsvereinbarung bestimmbar sein, insbesondere durch Angaben über seine Fähigkeiten, sein Fachgebiet, seinen Wohnsitz oder seine Staatsangehörigkeit.

 

(2) Den Parteien steht es ferner frei:

 

1. den Ort festzulegen, an dem das schiedsrichterliche Verfahren durchgeführt werden soll;

 

2. die Verfahrensregeln zu bestimmen, die von dem oder den Schiedsrichtern eingehalten werden sollen;

 

3. vorbehaltlich zwingender Rechtsvorschriften das Recht zu bestimmen, das die Schiedsrichter in der Sache anwenden sollen.

 

 

Artikel 50

 

Wird ein Gericht eines der beiden Staaten wegen einer Streitigkeit angerufen, hinsichtlich deren die Parteien eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 47 getroffen haben, so hat das Gericht die Parteien auf Antrag einer von ihnen auf das schiedsrichterliche Verfahren zu verweisen, sofern es nicht feststellt, daß die Vereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist.

 

 

Kapitel II

Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen

 

 

Artikel 51

 

Schiedssprüche, die auf Grund einer nach Artikel 47 anzuerkennenden Schiedsvereinbarung ergangen sind, werden in jedem der beiden Staaten anerkannt und vollstreckt.

 

 

Artikel 52

 

(1) Die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs darf nur versagt werden:

 

1. wenn die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaates widerspricht;

 

2. wenn die Streitigkeit nach dem Recht des Anerkennungsstaates nicht auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden kann;

 

3. wenn eine gültige Schiedsvereinbarung nicht vorliegt; dieser Versagungsgrund ist jedoch nicht zu berücksichtigen, wenn die Partei, die sich auf ihn beruft, ihn während der Dauer des Schiedsverfahrens, auf das sie sich eingelassen hat, zwar gekannt, aber nicht geltend gemacht hat oder wenn ein Gericht des Staates, in dessen Hoheitsgebiet oder nach dessen Recht der Schiedsspruch ergangen ist, eine auf diesen Grund gestützte Aufhebungsklage abgewiesen hat;

 

4. wenn der Schiedsspruch durch betrügerische Machenschaften erwirkt worden ist;

 

5. wenn der Partei, gegen die der Schiedsspruch geltend gemacht wird, das rechtliche Gehör nicht gewährt wurde.

 

(2) Vergleiche, die vor einem Schiedsgericht geschlossen worden sind, stehen Schiedssprüchen gleich.

 

 

Artikel 53

 

Das Verfahren und die Wirkungen der Vollstreckbarerklärung richten sich nach den Artikeln 35 ff.

 

Fünfter Titel

Schlußvorschriften

 

 

Artikel 54

 

Alle Schwierigkeiten, die bei der Anwendung dieses Vertrages entstehen, werden auf diplomatischem Wege geregelt.

 

 

Artikel 55

 

Dieser Vertrag gilt auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Regierung der Tunesischen Republik innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Vertrages eine gegenteilige Erklärung abgibt.

 

 

Artikel 56

 

(1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifizierung. Die Ratifikationsurkunden sollen sobald wie möglich in Tunis ausgetauscht werden.

 

(2) Der Vertrag tritt dreißig Tage nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.

 

 

Artikel 57

 

Jeder der beiden Staaten kann den Vertrag kündigen. Die Kündigung wird ein Jahr nach dem Zeitpunkt wirksam, an dem sie dem anderen Staat notifiziert wurde.

 

 

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unterschrieben und mit ihren Siegeln versehen.

 

Geschehen zu Bonn am 19. Juli 1966 in sechs Urschriften, je zwei in deutscher, arabischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Bei Abweichungen zwischen dem deutschen und dem arabischen Wortlaut ist der französische maßgebend.

 

Für die Bundesrepublik Deutschland:

Schröder

 

Für die Tunesische Republik:

Habib Bourguiba Jr.