Amtliche Begründung zum deutschen Zustimmungsgesetz - BT-Drucks. 11/4307
Zu Artikel 1
Auf das Übereinkommen findet Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes Anwendung, da es sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.
Die Zustimmung bezieht sich nicht auf das gleichfalls am 16. Mai 1972 unterzeichnete Zusatzprotokoll zu dem Übereinkommen.
Zu Artikel 2
Absatz 1
Erfüllt ein Vertragsstaat eine gegen ihn ergangene Entscheidung oder einen Vergleich nicht, so kann sich die Partei, die sich auf das Urteil oder den Vergleich beruft, gemäß Artikel 21 des Übereinkommens mit einem entsprechenden Feststellungsbegehren an das zuständige Gericht des verurteilten Staates wenden. Gemäß Artikel 21 Abs. 4 des Übereinkommens haben die Vertragsstaaten das Gericht oder die Gerichte zu bezeichnen, die für die Entscheidung über solche Feststellungsbegehren zuständig sind; hiervon ist der Generalsekretär des Europarats zu unterrichten, der seinerseits eine entsprechende Mitteilung an alle Mitgliedstaaten weitergibt (Artikel 41 Buchstabe e). Diese Regelung soll dem mit dem Verfahrensrecht ausländischer Staaten nicht vertrauten Kläger die Einleitung des Feststellungsverfahrens erleichtern. Es ist zweckmäßig, die Zuständigkeit für das Verfahren bei dem Landgericht am Sitz der Bundesregierung zu konzentrieren, da dieses Gericht bereits nach geltendem Recht in weitem Umfang für Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Betätigungen im Ausland zuständig ist. In den Feststellungsverfahren werden regelmäßig bedeutsame Rechtsfragen zu entscheiden sein; es bietet sich deshalb an, die Zuständigkeit des Landgerichts am Sitz der Bundesregierung ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes festzulegen. Dies soll der Einfachheit halber auch für Klagen gegen die Länder der Bundesrepublik Deutschland gelten.
Absatz 2
Für das Feststellungsverfahren kommen die Vorschriften der Zivilprozeßordnung mit den sich aus dem Übereinkommen ergebenden Besonderheiten (Artikel 21 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens) zur Anwendung.
Das aufgrund des streitigen Verfahrens ergehende Urteil ist kein Vollstreckungsurteil im Sinne des § 723 ZPO. Das Übereinkommen beruht auf dem Gedanken der freiwilligen Erfüllung und sieht keine Zwangsmaßnahmen vor. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist in Artikel 26 des Übereinkommens enthalten, der in gewissen Fällen eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines anderen Vertragsstaates gestattet, wenn der Staat eine entsprechende Erklärung gemäß Artikel 24 abgegeben hat. Inhalt des dem positiven Klageantrag stattgebenden Urteils ist allein die Feststellung, daß der beklagte Staat die gegen ihn ergangene ausländische Entscheidung zu erfüllen habe. Der Ausdruck "erfüllen" ist dabei weit auszulegen und bedeutet nicht notwendigerweise eine Zahlung oder sonstige Vermögensübertragung; er kann auch die Verpflichtung beinhalten, einer Entscheidung zu entsprechen, die eine Rechtslage schafft oder Tatsachen feststellt.
Absatz 3
Nach Artikel 21 Abs. 1 des Übereinkommens kann die Feststellungsklage von der Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, erhoben werden. Das Übereinkommen und der erläuternde Bericht dazu definieren nicht näher, was unter dem Begriff der Partei zu verstehen ist. Ihn auf die in der Entscheidung genannten Parteien der gemäß Artikel 20 des Übereinkommens zu erfüllenden Entscheidung zu begrenzen, wäre wegen der Möglichkeit der Rechtsnachfolge zu eng. Absatz 3 räumt die Klagebefugnis deshalb jeder Partei ein, die aus der ausländischen Entscheidung oder dem Vergleich unmittelbar Rechte für sich ableiten kann.
Absatz 3 stellt außerdem klar, daß die Feststellungsklage auch von der unterlegenen Partei (der Bundesrepublik Deutschland oder einem Bundesland) erhoben werden kann. Das Feststellungsinteresse geht in diesem Fall dahin, daß die Bundesrepublik oder das Bundesland aus den Gründen des Artikels 20 Abs. 2 oder Abs. 3 nicht verpflichtet ist, die Entscheidung zu erfüllen.
Zu Artikel 3
Das Übereinkommen soll auch auf das Land Berlin Anwendung finden; das Gesetz enthält daher die übliche Berlin-Klausel.
Zu Artikel 4
Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Abs. 2 des Grundgesetzes.
Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, in dem das Übereinkommen nach seinem Artikel 36 Abs. 3 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekanntzugeben.
Schlußbemerkungen
I.
(nicht abgedruckt)
II.
Der Gesetzentwurf hat dem Parlament bereits in der 10. Wahlperiode vorgelegen (BT-Drs. 10/4631), konnte bis zu deren Ende aber nicht mehr verabschiedet werden. Der seinerzeit vom Bundesrat vertretenen Auffassung, daß es sich um ein zustimmungsbedürftiges Gesetz handle, ist in der Neuvorlage Rechnung getragen. Zum Gesetzentwurf insgesamt hatte der Bundesrat folgende Stellungnahme abgegeben:
"Nach Auffassung des Bundesrates ist eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes insoweit nicht gegeben, als das Übereinkommen die Staatenimmunität der Länder regelt. Im Hinblick auf die Lindauer Vereinbarung und mit Rücksicht darauf, daß die Länder ihr Einverständnis mit dem Übereinkommen bereits erklärt haben, erhebt der Bundesrat insoweit keine Einwendungen gegen den Gesetzentwurf."