VERORDNUNG
(EU) 2020/1783 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
vom
25. November 2020
über
die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet
der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (Beweisaufnahme)
(Neufassung)
DAS
EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -
gestützt
auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf
Artikel 81 Absatz 2,
auf
Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach
Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),
nach
Anhörung des Ausschusses der Regionen,
gemäß
dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (2),
in
Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Die
Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates (3) ist bereits
früher geändert worden. Da weitere erhebliche Änderungen vorgenommen werden
müssen, sollte die Verordnung im Interesse der Klarheit neu gefasst werden.
(2)
Die Union hat sich zum Ziel gesetzt, die Union als einen Raum der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts, in dem die Freizügigkeit gewährleistet ist, zu
erhalten und weiterzuentwickeln. Um diesen Raum aufzubauen, erlässt die Union
unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für
das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen.
(3) Für
das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und die Entwicklung eines
Rechtsraums in Zivilsachen in der Union muss die Zusammenarbeit zwischen den
Gerichten der verschiedenen Mitgliedstaaten im Bereich der Beweisaufnahme
weiter verbessert und beschleunigt werden. Diese Verordnung verfolgt das Ziel,
die Effizienz und Schnelligkeit von Gerichtsverfahren durch Vereinfachung und
Optimierung der Abläufe bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rahmen
der Beweisaufnahme zu verbessern, und gleichzeitig dazu beizutragen,
Verzögerungen und Kosten für natürliche Personen und Unternehmen zu verringern.
Durch die Schaffung größerer Rechtssicherheit und die Vereinfachung, Straffung
und Digitalisierung der Verfahren werden natürliche Personen und Unternehmen dazu
ermutigt, sich am grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr zu beteiligen, wodurch
der Handel innerhalb der Union angekurbelt und somit das Funktionieren des
Binnenmarkts verbessert wird.
(4) Mit
dieser Verordnung werden Regeln über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten
der verschiedenen Mitgliedstaaten bei der grenzüberschreitenden Beweisaufnahme
in Zivil- oder Handelssachen festgelegt.
(5) Für
die Zwecke dieser Verordnung sollte der Begriff „Gericht“ auch Behörden
einschließen, die gerichtliche Funktionen ausüben oder in Ausübung einer Befugnisübertragung durch ein Gericht oder unter der
Aufsicht eines Gerichts handeln und nach nationalem Recht zur Beweisaufnahme
für die Zwecke von Gerichtsverfahren in Zivil- oder Handelssachen befugt sind.
Das schließt insbesondere Behörden ein, die in Anwendung anderer Rechtsakte der
Union, beispielsweise der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates (4)
und der Verordnungen (EU) Nr. 1215/2012 (5) und (EU) Nr.
650/2012 (6) des Europäischen Parlaments und des Rates, als
Gerichte gelten.
(6) Damit
ein Höchstmaß an Klarheit und Rechtssicherheit gewährleistet ist, sollten die
Ersuchen um Beweisaufnahme unter Verwendung eines Formblatts übermittelt
werden, das in der Sprache des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts oder in
einer anderen von diesem Mitgliedstaat anerkannten Sprache auszufüllen ist. Aus
denselben Gründen empfiehlt es sich, auch für die weitere Kommunikation
zwischen den betreffenden Gerichten soweit wie möglich Formblätter zu
verwenden.
(7) Um
eine schnelle Übermittlung von Ersuchen und Mitteilungen zwischen den
Mitgliedstaaten zu Beweisaufnahmezwecken sicherzustellen, sollten alle
geeigneten modernen Kommunikationstechnologien genutzt werden. Daher sollten in
der Regel jede Kommunikation und jeder Austausch von Schriftstücken über ein
sicheres und zuverlässiges dezentrales IT-System erfolgen, das nationale
IT-Systeme umfasst, die vernetzt und technisch interoperabel sind, wie
beispielsweise - unbeschadet der weiteren technologischen Entwicklung - auf
e-CODEX beruhend. Dementsprechend sollte ein dezentrales IT-System für den
Datenaustausch nach dieser Verordnung eingerichtet werden. Der dezentrale
Charakter dieses IT-Systems würde den Datenaustausch ausschließlich zwischen
einem Mitgliedstaat und einem anderen ermöglichen, ohne dass eines der Organe
der Union an diesem Austausch beteiligt ist.
(8) Unbeschadet
eines möglichen künftigen technologischen Fortschritts sollten das sichere
dezentrale IT-System und seine Bestandteile nicht zwingend als qualifizierter
Dienst für die Zustellung elektronischer Einschreiben im Sinne der Verordnung
(EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (7)
aufgefasst werden.
(9) Die
Kommission sollte für die Schaffung, Wartung und Pflege sowie künftige
Weiterentwicklung einer Referenzimplementierungssoftware verantwortlich sein,
die Mitgliedstaaten anstelle eines nationalen IT-Systems nutzen können sollten,
gemäß den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technikgestaltung und durch
datenschutzfreundliche Voreinstellungen. Die Kommission sollte die
Referenzimplementierungssoftware gemäß den Datenschutzanforderungen und
-grundsätzen der Verordnungen (EU) 2018/1725 (8) und (EU)
2016/679 (9) des Europäischen Parlaments und des Rates -
insbesondere den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technikgestaltung und
durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen - konzipieren, entwickeln und
warten. Die Referenzimplementierungssoftware sollte außerdem geeignete
technische Maßnahmen enthalten und die organisatorischen Maßnahmen ermöglichen,
die dafür erforderlich sind, ein Maß an Sicherheit und Interoperabilität zu gewährleisten,
das für den Informationsaustausch im Bereich der Beweisaufnahme geeignet ist.
(10) Für
die Komponenten des dezentralen IT-Systems, für welche die Union zuständig ist,
sollte die Verwaltungsstelle über ausreichende Ressourcen verfügen, um das ordnungsgemäße
Funktionieren dieses Systems zu gewährleisten.
(11) Die
nach nationalem Recht zuständige Behörde oder zuständigen Behörden sollte bzw.
sollten als Verantwortliche im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679 für die
Verarbeitung personenbezogener Daten, die sie nach der vorliegenden Verordnung
zur Übermittlung von Ersuchen und sonstigen Mitteilungen zwischen
Mitgliedstaaten durchführt bzw. durchführen, zuständig sein.
(12) Die
Übermittlung über das dezentrale IT-System könnte aufgrund einer Störung des
Systems oder der Beschaffenheit des Beweismittels, beispielsweise bei DNA- oder
Blutproben, unmöglich werden. Auch aufgrund außergewöhnlicher Umstände könnten
andere Kommunikationsmittel besser geeignet sein, etwa dann, wenn die
Digitalisierung einer umfangreichen Dokumentation einen unverhältnismäßigen
Verwaltungsaufwand für die zuständigen Behörden darstellen würde oder wenn zur
Beurteilung der Echtheit eines Schriftstücks das Original in Papierform
benötigt wird. Wenn das dezentrale IT-System nicht verwendet wird, sollte die
Übermittlung mit dem am besten geeigneten alternativen Mittel durchgeführt
werden. Dieses alternative Mittel sollte unter anderem dazu führen, dass die
Übermittlung so rasch wie möglich und auf sichere Weise durch andere sichere elektronische
Mittel oder durch Postdienste durchgeführt wird.
(13) Damit
die elektronische grenzüberschreitende Übermittlung von Schriftstücken über das
dezentrale IT-System häufiger genutzt wird, sollte solchen Schriftstücken die
Rechtswirkung und die Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht
allein deshalb abgesprochen werden, weil sie in elektronischer Form vorliegen.
Jedoch sollte dieser Grundsatz die Beurteilung der Rechtswirkung solcher
Schriftstücke oder ihrer Zulässigkeit als Beweismittel nach nationalem Recht
nicht berühren. Zudem sollte er nationales Recht über die Umwandlung von
Schriftstücken unberührt lassen.
(14) Diese
Verordnung sollte die Möglichkeit unberührt lassen, dass Behörden Informationen
im Rahmen von Systemen austauschen, die in anderen Rechtsakten der Union wie
der Verordnung (EU) 2019/1111 oder der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates (10) festgelegt sind, selbst wenn diese Informationen
Beweiskraft haben, sodass die Wahl der am besten geeigneten Methode der
ersuchenden Behörde überlassen bleibt.
(15) Ersuchen
um Beweisaufnahme sollten rasch erledigt werden. Kann ein Ersuchen innerhalb
von 90 Tagen nach Eingang beim ersuchten Gericht nicht erledigt werden, so
sollte das ersuchte Gericht das ersuchende Gericht hiervon unter Angabe der
Gründe, die einer zügigen Erledigung des Ersuchens entgegenstehen, in Kenntnis
setzen.
(16) Um
die Wirksamkeit dieser Verordnung zu gewährleisten, sollten die Umstände, unter
denen es möglich ist, die Erledigung eines Ersuchens um Beweisaufnahme
abzulehnen, auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt werden.
(17) Das
ersuchte Gericht sollte das Ersuchen um Beweisaufnahme nach Maßgabe seines
nationalen Rechts erledigen.
(18) Die
Parteien und gegebenenfalls ihre Vertreter sollten bei der Beweisaufnahme
zugegen sein können, wenn das im Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden
Gerichts vorgesehen ist, damit sie die Verhandlungen wie im Falle einer
Beweisaufnahme im Mitgliedstaat des ersuchenden Gerichts verfolgen können. Sie
sollten auch das Recht haben, die Beteiligung an der Beweisaufnahme zu
beantragen, damit sie an der Beweisaufnahme aktiver mitwirken können. Die
Bedingungen jedoch, unter denen sie teilnehmen dürfen, sollten vom ersuchten
Gericht nach Maßgabe seines nationalen Rechts festgelegt werden.
(19) Die
Beauftragten des ersuchenden Gerichts sollten bei der Beweisaufnahme zugegen
sein können, wenn das mit dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts
vereinbar ist, um die Beweise besser würdigen zu können. Sie sollten ebenfalls
das Recht haben, die Beteiligung an der Beweisaufnahme zu beantragen -wobei die
vom ersuchten Gericht nach Maßgabe seines nationalen Rechts festgelegten
Bedingungen zu beachten sind -, damit sie an der Beweisaufnahme aktiver
mitwirken können.
(20) Damit
die Beweisaufnahme erleichtert wird, sollte es einem Gericht eines
Mitgliedstaats möglich sein, nach seinem nationalen Recht in einem anderen
Mitgliedstaat unmittelbar Beweise zu erheben, sofern dieser dem Antrag auf
unmittelbare Beweisaufnahme zustimmt, wobei die von der Zentralstelle oder der
zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats festgelegten Bedingungen zu
beachten sind.
(21) Das
Potenzial moderner Kommunikationstechnologien, beispielsweise Videokonferenzen,
die ein wichtiges Mittel zur Vereinfachung und Beschleunigung der
Beweisaufnahme darstellen, wird derzeit nicht voll ausgeschöpft. Wenn Beweise
erhoben werden sollen, indem eine Person mit Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat,
z. B. als Zeuge, Partei oder Sachverständiger, vernommen wird, sollte das
ersuchende Gericht diese Beweisaufnahme unmittelbar per Videokonferenz oder
mittels einer anderen Fernkommunikationstechnologie durchführen, sofern das
Gericht über diese Möglichkeit verfügt und sofern das Gericht den Einsatz
dieser Technologie aufgrund der besonderen Umstände des Falls für den fairen
Ablauf des Verfahrens als angemessen ansieht. Auch die Vernehmung eines Kindes
könnte gemäß der Verordnung (EU) 2019/1111 per Videokonferenz erfolgen. Falls
allerdings die Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten
Mitgliedstaats bestimmte Bedingungen für erforderlich hält, sollte die
unmittelbare Beweisaufnahme nach diesen Bedingungen gemäß dem Recht des
ersuchten Mitgliedstaats erfolgen. Die Zentralstelle oder die zuständige
Behörde des ersuchten Mitgliedstaats sollte die unmittelbare Beweisaufnahme
ganz oder teilweise verweigern können, wenn diese unmittelbare Beweisaufnahme
den Grundprinzipien der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats zuwiderlaufen
würde.
(22) Wird
beabsichtigt, Beweise zu erheben, indem eine Person per Videokonferenz oder
mittels einer anderen Fernkommunikationstechnologie vernommen wird, so sollte
das ersuchende Gericht auf dessen Antrag hin bei der Suche nach einem
Dolmetscher - einschließlich eines beeideten Dolmetschers, wenn das
ausdrücklich beantragt wird -unterstützt werden.
(23) Das
für das Verfahren zuständige Gericht sollte die Parteien und ihre
Rechtsvertreter anleiten, wie bei der Vorlage von Schriftstücken oder anderen
Materialien bei Vernehmungen per Videokonferenz oder mittels einer anderen
Fernkommunikationstechnologie vorzugehen ist.
(24) Um
die Beweisaufnahme durch Bedienstete diplomatischer oder konsularischer
Vertretungen zu erleichtern, sollten diese Personen im Hoheitsgebiet eines
anderen Mitgliedstaats und innerhalb ihres Akkreditierungsbereichs im Rahmen
eines bei den Gerichten des von ihnen vertretenen Mitgliedstaats anhängigen
Verfahrens ohne vorheriges Ersuchen eine Beweisaufnahme in Form einer
Vernehmung ohne Zwangsmaßnahmen von Staatsangehörigen des von ihnen vertretenen
Mitgliedstaats durchführen. Allerdings sollte es im Ermessen der
Mitgliedstaaten liegen, darüber zu entscheiden, ob die Bediensteten ihrer
diplomatischen oder konsularischen Vertretungen bei der Ausübung ihres Amtes
zur Beweisaufnahme befugt sind.
(25) Die
Beweisaufnahme durch Bedienstete diplomatischer oder konsularischer
Vertretungen sollte in den Räumlichkeiten der diplomatischen oder
konsularischen Vertretung durchgeführt werden, sofern keine besonderen Umstände
vorliegen. Solche Umstände können darin bestehen, dass die zu vernehmende
Person aufgrund einer schweren Erkrankung nicht in der Lage ist, diese
Räumlichkeiten aufzusuchen.
(26) Für
die Erledigung eines Ersuchens um Beweisaufnahme gemäß dieser Verordnung sollte
keine Erstattung von Gebühren oder Auslagen verlangt werden dürfen. Falls
jedoch das ersuchte Gericht die Erstattung verlangt, sollten die Aufwendungen
für Sachverständige und Dolmetscher sowie die durch die Durchführung gemäß
einem besonderen Verfahren nach nationalem Recht oder durch die Verwendung von
Fernkommunikationstechnologien entstehenden Auslagen nicht von jenem Gericht
getragen werden. In einem solchen Fall sollte das ersuchende Gericht die
erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die unverzügliche Erstattung
sicherzustellen. Wird die Stellungnahme eines Sachverständigen verlangt, so
sollte das ersuchte Gericht in der Lage sein, vor der Erledigung des Ersuchens
das ersuchende Gericht um eine angemessene Kaution oder einen angemessenen
Vorschuss für die Sachverständigenkosten bitten.
(27) Um
die in Anhang I dieser Verordnung enthaltenen Formblätter zu aktualisieren oder
technische Anpassungen an diesen Formblättern vorzunehmen, sollte der
Kommission die Befugnis übertragen werden, nach Artikel 290 des Vertrags über
die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zur Änderung des genannten
Anhangs zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im
Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene
von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen,
die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere
Rechtsetzung (11) niedergelegt wurden. Um insbesondere für
eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte
zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur
gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre
Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der
Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der
delegierten Rechtsakte befasst sind.
(28) Zur
Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung
sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese
Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des
Europäischen Parlaments und des Rates (12) ausgeübt werden.
(29) Diese
Verordnung sollte Vorrang vor den Bestimmungen bilateraler oder multilateraler
Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit einem dieser Verordnung gleichen
Anwendungsbereich haben, die Mitgliedstaaten geschlossen haben. Diese
Verordnung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Übereinkünfte oder
Vereinbarungen zur weiteren Vereinfachung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der
Beweisaufnahme beizubehalten oder zu schließen, sofern diese Übereinkünfte oder
Vereinbarungen mit dieser Verordnung vereinbar sind.
(30) Es
ist von wesentlicher Bedeutung, dass wirksame Mittel zur Erlangung, Sicherung
und Vorlage von Beweisen zur Verfügung stehen und dass die Verteidigungsrechte
respektiert und vertrauliche Informationen geschützt werden. In diesem
Zusammenhang ist es wichtig, den Einsatz moderner Technologie zu fördern.
(31) Bei
den Verfahren zur Aufnahme, Sicherung und Vorlage von Beweisen sollte
gewährleistet werden, dass Verfahrensrechte, die Privatsphäre sowie die
Integrität und die Vertraulichkeit personenbezogener Daten gemäß dem
Unionsrecht und dem nationalen Recht gewahrt werden.
(32) Es
ist wichtig, sicherzustellen, dass diese Verordnung unter Einhaltung des
Datenschutzrechts der Union angewandt wird und dass die Anwendung dieser
Verordnung mit dem in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
verankerten Schutz der Privatsphäre im Einklang steht. Ferner muss
sichergestellt werden, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten
natürlicher Personen im Rahmen dieser Verordnung gemäß der Verordnung (EU) 2016/679,
der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (13) sowie der Verordnung (EU) 2018/1725 erfolgt.
Personenbezogene Daten sollten nur für die im Rahmen der vorliegenden
Verordnung festgelegten besonderen Zwecke verarbeitet werden.
(33) Nach
den Nummern 22 und 23 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016
über bessere Rechtsetzung sollte die Kommission diese Verordnung auf der
Grundlage der Informationen bewerten, die im Rahmen spezifischer
Monitoring-Regelungen eingeholt werden, um die tatsächlichen Auswirkungen
dieser Verordnung zu bewerten und zu prüfen, ob weitere Maßnahmen notwendig
sind. Erfassen Mitgliedstaaten Daten zur Zahl der übermittelten und erledigten
Ersuchen und zur Zahl der Fälle, in denen die Übermittlung auf anderem Wege als
über das dezentrale IT-System erfolgt ist, so sollten sie diese Daten für die
Zwecke der Überwachung der Kommission bereitstellen. Die von der Kommission als
Back-End-System entwickelte Referenzimplementierungssoftware sollte die für die
Zwecke der Überwachung erforderlichen Daten durch entsprechende Programmierung
erfassen, und diese Daten sollten der Kommission übermittelt werden. Wenn sich
die Mitgliedstaaten für die Nutzung eines nationalen IT-Systems anstelle der
durch die Kommission entwickelten Referenzimplementierungssoftware entscheiden,
so kann dieses System so ausgerüstet sein, dass es diese Daten durch
entsprechende Programmierung erfasst; in diesem Fall sollten die Daten der
Kommission übermittelt werden.
(34) Da
die Ziele dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend
verwirklicht werden können, sondern vielmehr aufgrund der Schaffung eines
vereinfachten rechtlichen Rahmens, der die direkte, effiziente und schnelle
Übermittlung von Ersuchen und Mitteilungen im Zusammenhang mit der
Beweisaufnahme sicherstellt, auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann
die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische
Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in
demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese
Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß
hinaus.
(35) Der
Europäische Datenschutzbeauftragte wurde nach Artikel 42 Absatz 1 der
Verordnung (EU) 2018/1725 konsultiert und hat am 13. September 2019 eine
Stellungnahme abgegeben (14).
(36) Im
Interesse einer besseren Übersicht und Verständlichkeit sollte die Verordnung
(EG) Nr. 1206/2001 aufgehoben und durch die vorliegende Verordnung ersetzt
werden.
(37) Nach
Artikel 3 und Artikel 4a Absatz 1 des dem Vertrag über die Europäische Union
und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten
Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands
hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat Irland
mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung
beteiligen möchte.
(38) Nach
den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag
über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über
die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser
Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer
Anwendung verpflichtet -
HABEN
FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
KAPITEL I
ALLGEMEINE
BESTIMMUNGEN
Anwendungsbereich
(1) Diese
Verordnung gilt in Zivil- oder Handelssachen, in denen das Gericht eines
Mitgliedstaats nach seinem innerstaatlichen Recht
a) das zuständige Gericht eines anderen
Mitgliedstaats um Beweisaufnahme ersucht oder
b) darum
ersucht, in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar Beweis erheben zu dürfen.
(2) Um
Beweisaufnahme darf nicht ersucht werden, wenn die Beweise nicht zur Verwendung
in einem bereits eingeleiteten oder einem gerichtlichen Verfahren bestimmt
sind, dessen Eröffnung geprüft wird.
Begriffsbestimmungen
Für
die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1. „Gericht“
bezeichnet Gerichte und andere Behörden der Mitgliedstaaten, die der Kommission
nach Artikel 31 Absatz 3 mitgeteilt wurden,
gerichtliche Funktionen ausüben, in Ausübung einer Befugnisübertragung
durch eine Justizbehörde oder unter Aufsicht einer Justizbehörde handeln und
nach nationalem Recht zur Beweisaufnahme für die Zwecke von Gerichtsverfahren
in Zivil- oder Handelssachen befugt sind.
2. „Dezentrales
IT-System“ bezeichnet ein Netzwerk nationaler IT-Systeme und interoperabler
Zugangspunkte, die unter der jeweiligen Verantwortung und Verwaltung eines
jeden Mitgliedstaats betrieben werden, das den sicheren und zuverlässigen
grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen den nationalen IT-Systemen
ermöglicht.
Unmittelbarer
Geschäftsverkehr zwischen Gerichten
(1) Ersuchen
nach Artikel 1 Absatz 1
Buchstabe a sind von dem Gericht, bei dem das
Verfahren eingeleitet wurde oder eröffnet werden soll (im Folgenden
„ersuchendes Gericht“), unmittelbar dem zuständigen Gericht eines anderen
Mitgliedstaats (im Folgenden „ersuchtes Gericht“) zur Beweisaufnahme zu übersenden.
(2) Jeder
Mitgliedstaat erstellt eine Liste der Gerichte, die für Beweisaufnahmen nach
dieser Verordnung zuständig sind. In der Liste ist auch der örtliche
Zuständigkeitsbereich und gegebenenfalls die besondere fachliche Zuständigkeit
dieser Gerichte anzugeben.
Zentralstelle
(1) Jeder
Mitgliedstaat benennt eine Zentralstelle, die dafür verantwortlich ist,
a) den
Gerichten Auskünfte zu erteilen;
b) nach
Lösungswegen zu suchen, wenn bei einem Ersuchen Schwierigkeiten auftreten;
c) in
Ausnahmefällen auf Ersuchen eines ersuchenden Gerichts ein Ersuchen an das
zuständige Gericht weiterzuleiten.
(2) Bundesstaatlich
organisierten Mitgliedstaaten, Mitgliedstaaten mit mehreren Rechtssystemen und Mitgliedstaaten
mit autonomen Gebietskörperschaften steht es frei, mehrere Zentralstellen zu
bestimmen.
(3) Jeder
Mitgliedstaat benennt ferner die in Absatz 1 dieses
Artikels genannte Zentralstelle oder eine oder mehrere zuständige Behörden als
verantwortlich für Entscheidungen über Ersuchen nach Artikel 19.
KAPITEL II
ÜBERMITTLUNG
UND ERLEDIGUNG DER ERSUCHEN
ABSCHNITT 1
Übermittlung
von Ersuchen
Form
und Inhalt von Ersuchen
(1) Ersuchen
werden unter Verwendung des Formblattes A oder gegebenenfalls des Formblattes L
in Anhang I gestellt. Jedes Ersuchen enthält folgende Angaben:
a) das
ersuchende und gegebenenfalls das ersuchte Gericht;
b) Namen
und Anschriften der Parteien und gegebenenfalls ihrer Vertreter;
c) die
Art und den Gegenstand der Rechtssache sowie eine kurze Darstellung des
Sachverhalts;
d) die
Beschreibung der ersuchten Beweisaufnahme;
e) bei
einem Ersuchen um Vernehmung einer Person:
- Name
und Anschrift der zu vernehmenden Person;
- die
Fragen, welche an die zu vernehmende Person gerichtet werden sollen, oder den
Sachverhalt, über den diese Person vernommen werden soll;
- gegebenenfalls
einen Hinweis auf ein nach dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden
Gerichts bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht;
- gegebenenfalls
den Antrag, die Vernehmung unter Eid oder eidesstattlicher Versicherung
durchzuführen, und gegebenenfalls die dabei zu verwendende Formel;
- gegebenenfalls
alle anderen Informationen, die das ersuchende Gericht für erforderlich hält;
f) bei
einem Ersuchen um eine sonstige, nicht unter Buchstabe e genannte
Beweisaufnahme die Urkunden oder anderen Gegenstände, die geprüft werden
sollen;
g) gegebenenfalls
Anträge nach Artikel 12 Absätze 3 oder 4 oder nach den Artikeln 13 oder 14 und für deren Ausführung erforderliche Erläuterungen.
(2) Die
Ersuchen sowie alle beigefügten Unterlagen bedürfen weder der Beglaubigung noch
einer anderen gleichwertigen Formalität.
(3) Schriftstücke,
deren Beifügung das ersuchende Gericht für die Erledigung des Ersuchens für notwendig
hält, sind mit einer Übersetzung der Schriftstücke in die Sprache zu versehen,
in der das Ersuchen abgefasst wurde.
Sprachen
Ersuchen
und die aufgrund dieser Verordnung gemachten Mitteilungen sind in der
Amtssprache des ersuchten Mitgliedstaats oder, wenn es in diesem Mitgliedstaat
mehrere Amtssprachen gibt, in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des
Ortes, an dem die beantragte Beweisaufnahme durchgeführt werden soll, oder in
einer anderen Sprache, die dieser Mitgliedstaat zugelassen hat, abzufassen.
Jeder
Mitgliedstaat teilt der Kommission jede Amtssprache der Union mit, die er außer
seiner eigenen für das Ausfüllen der Formblätter in Anhang I zulässt.
Übermittlung
von Ersuchen und sonstigen Mitteilungen
(1) Ersuchen
und Mitteilungen nach dieser Verordnung werden über ein sicheres und
zuverlässiges dezentrales IT-System unter angemessener Achtung der Grundrechte
und Grundfreiheiten übermittelt. Dieses dezentrale IT-System beruht auf einer
interoperablen Lösung wie beispielsweise e-CODEX.
(2) Für
Ersuchen und Mitteilungen, die über das dezentrale IT-System übermittelt
werden, gilt der mit der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 geschaffene allgemeine
Rechtsrahmen für die Verwendung von qualifizierten Vertrauensdiensten.
(3) Erfordern
oder enthalten die in Absatz 1 dieses Artikels genannten Ersuchen und
Mitteilungen ein Siegel oder eine eigenhändige Unterschrift, so können
stattdessen qualifizierte elektronische Siegel oder qualifizierte elektronische
Signaturen im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 verwendet werden.
(4) Ist
die Übermittlung nach Absatz 1 aufgrund einer Störung
des dezentralen IT-Systems, der Beschaffenheit des Beweismittels oder
außergewöhnlicher Umstände nicht möglich, so wird die Übermittlung mit dem
schnellsten und am besten geeigneten alternativen Mittel durchgeführt, wobei
dem Erfordernis der Zuverlässigkeit und Sicherheit Rechnung zu tragen ist.
Rechtswirkung
elektronischer Schriftstücke
Den
über das dezentrale IT-System übermittelten Schriftstücken darf die
Rechtswirkung oder die Zulässigkeit als Beweismittel im Gerichtsverfahren nicht
allein deshalb abgesprochen werden, weil sie in elektronischer Form vorliegen.
ABSCHNITT 2
Entgegennahme
von Ersuchen
Entgegennahme
von Ersuchen
(1) Das
ersuchte zuständige Gericht übersendet dem ersuchenden Gericht innerhalb von
sieben Tagen nach Eingang des Ersuchens eine Empfangsbestätigung unter
Verwendung des Formblatts B in Anhang I. Entspricht das Ersuchen nicht den
Anforderungen der Artikel 6 und 7, so
bringt das ersuchte Gericht einen entsprechenden Vermerk in der
Empfangsbestätigung an.
(2) Fällt
die Erledigung eines unter Verwendung des Formblatts A in Anhang I gestellten
Ersuchens, das die Anforderungen des Artikels 6 erfüllt,
nicht in die Zuständigkeit des ersuchten Gerichts, so leitet dieses das
Ersuchen an das zuständige Gericht seines Mitgliedstaats weiter und
unterrichtet das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts C in Anhang
I hiervon.
Unvollständige
Ersuchen
(1) Kann
ein Ersuchen nicht erledigt werden, weil es nicht alle erforderlichen Angaben
gemäß Artikel 5 enthält, so setzt das ersuchte Gericht
unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Ersuchens
das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts D in Anhang I davon in
Kenntnis und ersucht das ersuchende Gericht, die fehlenden Angaben, die in
möglichst genauer Weise zu bezeichnen sind, zu übermitteln.
(2) Kann
ein Ersuchen nicht erledigt werden, weil eine Kaution oder ein Vorschuss nach
Artikel 22 Absatz 3
erforderlich ist, so teilt das ersuchte Gericht dem ersuchenden Gericht das
unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Eingang des Ersuchens unter Verwendung
des Formblatts D in Anhang I mit; es teilt dem ersuchenden Gericht ferner mit,
wie die Kaution oder der Vorschuss zu leisten ist. Das ersuchte Gericht
bestätigt den Eingang der Kaution oder des Vorschusses unverzüglich, spätestens
innerhalb von 10 Tagen nach Erhalt der Kaution oder des Vorschusses unter
Verwendung des Formblatts E in Anhang I.
Vervollständigung
des Ersuchens
(1) Hat
das ersuchte Gericht gemäß Artikel 9 Absatz 1 auf der Empfangsbestätigung vermerkt, dass das Ersuchen
die Anforderungen der Artikel 6 und 7
nicht erfüllt, oder hat es das ersuchende Gericht gemäß Artikel 10
davon unterrichtet, dass das Ersuchen nicht erledigt werden kann, weil es nicht
alle erforderlichen Angaben nach Artikel 5 enthält, so
beginnt die Frist nach Artikel 12 erst mit dem Eingang des
ordnungsgemäß ausgefüllten Ersuchens beim ersuchten Gericht zu laufen.
(2) Sofern
das ersuchte Gericht nach Artikel 22 Absatz 3 um eine Kaution oder einen Vorschuss gebeten hat,
beginnt die Frist nach Artikel 12 erst mit der
Hinterlegung der Kaution oder dem Eingang des Vorschusses zu laufen.
ABSCHNITT 3
Beweisaufnahme
durch das ersuchte Gericht
Allgemeine
Bestimmungen über die Erledigung eines Ersuchens
(1) Das
ersuchte Gericht erledigt das Ersuchen unverzüglich, spätestens aber innerhalb
von 90 Tagen nach Eingang des Ersuchens.
(2) Das
ersuchte Gericht erledigt das Ersuchen nach Maßgabe seines nationalen Rechts.
(3) Das
ersuchende Gericht kann unter Verwendung des Formblatts A in Anhang I
beantragen, dass das Ersuchen nach einer besonderen Form erledigt wird, die
sein nationales Recht vorsieht. Das ersuchte Gericht erledigt das Ersuchen
gemäß dem besonderen Verfahren, es sei denn, dass das mit seinem nationalen
Recht unvereinbar wäre oder dem ersuchten Gericht wegen erheblicher
tatsächlicher Schwierigkeiten unmöglich ist. Entspricht das ersuchte Gericht
aus einem der genannten Gründe nicht dem Ersuchen nach Erledigung in einer
besonderen Form, so unterrichtet es das ersuchende Gericht unter Verwendung des
Formblatts H in Anhang I hiervon.
(4) Das
ersuchende Gericht kann das ersuchte Gericht bitten, die Beweisaufnahme unter
Verwendung einer besonderen Kommunikationstechnologie, insbesondere im Wege der
Videokonferenz oder Telekonferenz, durchzuführen.
Das
ersuchte Gericht verwendet die in Unterabsatz 1 näher bezeichnete
Kommunikationstechnologie, es sei denn, dass das mit seinem nationalen Recht
unvereinbar wäre oder dass es dem ersuchten Gericht wegen erheblicher
tatsächlicher Schwierigkeiten unmöglich ist.
Verwendet
das ersuchte Gericht aus einem der genannten Gründe die besondere
Kommunikationstechnologie nicht, so unterrichtet es das ersuchende Gericht
unter Verwendung des Formblatts H in Anhang I hiervon.
Hat
das ersuchende oder das ersuchte Gericht keinen Zugang zu der in
Unterabsatz 1 genannten Kommunikationstechnologie, so können die Gerichten
diese Kommunikationstechnologie im gegenseitigen Einvernehmen zur Verfügung
stellen.
Beweisaufnahme
in Anwesenheit und unter Beteiligung der Parteien
(1) Sofern
im Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vorgesehen, haben die
Parteien und gegebenenfalls ihre Vertreter das Recht, bei der Beweisaufnahme
durch das ersuchte Gericht zugegen zu sein.
(2) In
seinem Ersuchen teilt das ersuchende Gericht unter Verwendung des
Formblatts A in Anhang I dem ersuchten Gericht mit, dass die Parteien und
gegebenenfalls ihre Vertreter zugegen sein werden und dass gegebenenfalls ihre
Beteiligung bei der Beweisaufnahme beantragt wird. Diese Mitteilung kann auch
zu jedem anderen geeigneten Zeitpunkt erfolgen.
(3) Wird
die Beteiligung der Parteien und gegebenenfalls ihrer Vertreter an der
Beweisaufnahme beantragt, so legt das ersuchte Gericht die Bedingungen für ihre
Teilnahme nach Artikel 12 fest.
(4) Das
ersuchte Gericht teilt den Parteien und gegebenenfalls ihren Vertretern unter
Verwendung des Formblatts I in Anhang I Ort und Zeitpunkt der Beweisaufnahme
und gegebenenfalls die Bedingungen mit, unter denen sie an der Beweisaufnahme
teilnehmen können.
(5) Die
Absätze 1 bis 4 lassen die Möglichkeit des ersuchten Gerichts unberührt, die
Parteien und gegebenenfalls ihre Vertreter aufzufordern, bei der Beweisaufnahme
zugegen zu sein oder sich daran zu beteiligen, wenn das Recht des
Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts das vorsieht.
Beweisaufnahme
in Anwesenheit und unter Beteiligung von Beauftragten des ersuchenden Gerichts
(1) Sofern
mit dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vereinbar, haben die
Beauftragten des ersuchenden Gerichts das Recht, bei der Beweisaufnahme durch
das ersuchte Gericht zugegen zu sein.
(2) Im
Sinne dieses Artikels umfasst der Begriff „Beauftragte“ Gerichtsangehörige, die
vom ersuchenden Gericht nach Maßgabe seines nationalen Rechts bestimmt werden.
Das ersuchende Gericht kann nach Maßgabe seines nationalen Rechts auch jede
andere Person wie etwa einen Sachverständigen bestimmen.
(3) In
seinem Ersuchen teilt das ersuchende Gericht unter Verwendung des
Formblatts A in Anhang I dem ersuchten Gericht mit, dass seine
Beauftragten zugegen sein werden und gegebenenfalls, dass ihre Beteiligung an
der Beweisaufnahme beantragt wird. Diese Mitteilung kann auch zu jedem anderen
geeigneten Zeitpunkt erfolgen.
(4) Wird
die Beteiligung der Beauftragten des ersuchenden Gerichts an der Beweisaufnahme
beantragt, so legt das ersuchte Gericht nach Artikel 12
die Bedingungen für ihre Teilnahme fest.
(5) Das
ersuchte Gericht teilt dem ersuchenden Gericht unter Verwendung des Formblatts
I in Anhang I Ort und Zeitpunkt der Beweisaufnahme und gegebenenfalls die
Bedingungen mit, unter denen seine Beauftragten an der Beweisaufnahme
teilnehmen können.
Zwangsmaßnahmen
Soweit
erforderlich, wendet das ersuchte Gericht bei der Erledigung des Ersuchens
geeignete Zwangsmaßnahmen in den Fällen und in dem Umfang an, wie sie das Recht
des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts für die Erledigung eines zum gleichen
Zweck gestellten Ersuchens inländischer Behörden oder der beteiligten Parteien
vorsieht.
Ablehnung
der Erledigung
(1) Ein
Ersuchen um Vernehmung einer Person wird nicht erledigt, wenn sich die betreffende
Person auf ein Recht zur Aussageverweigerung beruft oder wenn ein Aussageverbot
besteht,
a) das
nach dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts vorgesehen ist oder
b) das
nach dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vorgesehen und im
Ersuchen bezeichnet oder erforderlichenfalls auf Verlangen des ersuchten
Gerichts von dem ersuchenden Gericht bestätigt worden ist.
(2) Die
Erledigung eines Ersuchens kann außer aus den in Absatz 1
genannten Gründen nur abgelehnt werden, wenn einer oder mehrere der folgenden
Gründe vorliegen:
a) das
Ersuchen fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung;
b) die
Erledigung des Ersuchens fällt nach dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchten
Gerichts nicht in den Bereich der Gerichtsbarkeit;
c) das
ersuchende Gericht kommt der Aufforderung des ersuchten Gerichts zur Ergänzung
des Ersuchens um Beweisaufnahme gemäß Artikel 10 nicht
innerhalb von 30 Tagen, nachdem das ersuchte Gericht das ersuchende Gericht um
Ergänzung des Ersuchens gebeten hat, nach; oder
d) eine
Kaution oder ein Vorschuss, die/der gemäß Artikel 22
Absatz 3 verlangt wurde, wird nicht innerhalb von 60
Tagen nach dem entsprechenden Verlangen des ersuchten Gerichts hinterlegt bzw.
einbezahlt.
(3) Ein
ersuchtes Gericht darf die Erledigung nicht allein aus dem Grund ablehnen, dass
nach seinem nationalen Recht die ausschließliche Zuständigkeit für die Sache
bei einem anderen Gericht dieses Mitgliedstaats liegt oder das Recht dieses
Mitgliedstaats ein Verfahren für diese Streitsache nicht kennt.
(4) Wird
die Erledigung des Ersuchens aus einem der in Absatz 2
genannten Gründe abgelehnt, so setzt das ersuchte Gericht unter Verwendung des
Formblatts K in Anhang I das ersuchende Gericht innerhalb von 60 Tagen nach
Eingang des Ersuchens bei dem ersuchten Gericht davon in Kenntnis.
Mitteilung
über Verzögerungen
Ist
das ersuchte Gericht nicht in der Lage, das Ersuchen innerhalb von 90 Tagen
nach Eingang des Ersuchens zu erledigen, so setzt es das ersuchende Gericht
unter Verwendung des Formblatts J in Anhang I hiervon in Kenntnis. Dabei gibt
es die Gründe für die Verzögerung sowie den Zeitraum, den es nach seiner
Einschätzung für die Erledigung des Ersuchens voraussichtlich benötigen wird,
an.
Verfahren
nach Erledigung des Ersuchens
Das
ersuchte Gericht übermittelt dem ersuchenden Gericht unverzüglich die
Schriftstücke, die die Erledigung des Ersuchens bestätigen, und sendet
gegebenenfalls die Schriftstücke, die ihm von dem ersuchenden Gericht
zugegangen sind, zurück. Diesen Schriftstücken ist eine Erledigungsbestätigung
unter Verwendung des Formblatts K in Anhang I beizufügen.
ABSCHNITT 4
Unmittelbare
Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht und Beweisaufnahme durch
Bedienstete diplomatischer oder konsularischer Vertretungen
Unmittelbare
Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht
(1) Beantragt
ein Gericht eine unmittelbare Beweisaufnahme in einem anderen Mitgliedstaat, so
richtet es an die Zentralstelle oder die zuständige Behörde dieses
Mitgliedstaats unter Verwendung des Formblatts L in Anhang I ein entsprechendes
Ersuchen.
(2) Die
unmittelbare Beweisaufnahme ist nur statthaft, wenn sie freiwillig und ohne
Einsatz von Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden kann.
Macht
die unmittelbare Beweisaufnahme die Vernehmung einer Person erforderlich, so
teilt das ersuchende Gericht dieser Person mit, dass die Beweisaufnahme
freiwillig erfolgt.
(3) Die
unmittelbare Beweisaufnahme wird von einem Gerichtsangehörigen oder von einer
anderen Person wie etwa einem Sachverständigen durchgeführt, der/die nach dem
Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts bestimmt wird.
(4) Innerhalb
von 30 Tagen nach Eingang des Ersuchens um unmittelbare Beweisaufnahme teilt
die Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats dem
ersuchenden Gericht unter Verwendung des Formblatts M in Anhang I mit, ob dem
Ersuchen stattgegeben wurde und setzt, soweit erforderlich, das ersuchende
Gericht davon in Kenntnis, unter welchen Bedingungen die unmittelbare
Beweisaufnahme nach Maßgabe des Rechts ihres Mitgliedstaats durchzuführen ist.
Die
Zentralstelle oder die zuständige Behörde kann insbesondere ein Gericht ihres
Mitgliedstaats bestimmen, das an der unmittelbaren Beweisaufnahme teilnimmt, um
sicherzustellen, dass dieser Artikel ordnungsgemäß angewandt wird und die
Bedingungen, unter denen die unmittelbare Beweisaufnahme durchzuführen ist,
eingehalten werden.
(5) Wurde
dem ersuchenden Gericht nicht innerhalb von 30 Tagen nach Bestätigung des
Eingangs des Ersuchens um unmittelbare Beweisaufnahme mitgeteilt, ob dem
Ersuchen stattgegeben wird, so kann es an die Zentralstelle oder zuständige
Behörde des ersuchten Mitgliedstaats eine Erinnerung senden. Erhält das
ersuchende Gericht innerhalb von 15 Tagen nach Bestätigung des Eingangs dieser
Erinnerung keine Antwort, so wird davon ausgegangen, dass dem Ersuchen um
unmittelbare Beweisaufnahme stattgegeben wurde. Wenn jedoch aufgrund
außergewöhnlicher Umstände die Zentralstelle oder die zuständige Behörde daran
gehindert war, auch innerhalb der auf die Erinnerung folgenden Frist auf das
Ersuchen zu reagieren, können ausnahmsweise noch nach Ablauf dieser Frist
jederzeit bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen unmittelbaren Beweisaufnahme
Gründe für die Ablehnung der unmittelbaren Beweisaufnahme geltend gemacht
werden.
(6) Die
Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats kann ein
Gericht ihres Mitgliedstaats beauftragen, praktische Unterstützung bei der
unmittelbaren Beweisaufnahme zu leisten.
(7) Die
Zentralstelle oder die zuständige Stelle des ersuchten Mitgliedstaats kann das
Ersuchen um unmittelbaren Beweisaufnahme nur ablehnen, wenn
a) es
nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt,
b) es
nicht alle nach Artikel 5 erforderlichen Angaben enthält
oder
c) die
beantragte unmittelbare Beweisaufnahme wesentlichen Rechtsgrundsätzen ihres
Mitgliedstaats zuwiderläuft.
(8) Unbeschadet
der nach Absatz 4 festgelegten Bedingungen nimmt das
ersuchende Gericht die unmittelbare Beweisaufnahme nach Maßgabe des Rechts
seines Mitgliedstaats vor.
Unmittelbare
Beweisaufnahme per Videokonferenz oder mittels anderer
Fernkommunikationstechnologie
(1) Wird
beabsichtigt, Beweise zu erheben, indem eine Person mit Aufenthalt in einem anderen
Mitgliedstaat vernommen wird, und ersucht das Gericht um Zustimmung zur
unmittelbaren Beweisaufnahme nach Artikel 19, so führt
dieses Gericht die Beweisaufnahme per Videokonferenz oder mittels einer anderen
Fernkommunikationstechnologie durch, sofern das Gericht über eine solche
Technologie verfügt und es den Einsatz einer solchen Technologie aufgrund der
besonderen Umstände des Falls für angemessen hält.
(2) Ein
Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme per Videokonferenz oder mittels einer
anderen Fernkommunikationstechnologie wird unter Verwendung des Formblatts N in
Anhang I gestellt. Das ersuchende Gericht und die Zentralstelle oder die
zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats oder das mit der praktischen
Unterstützung bei der unmittelbaren Beweisaufnahme beauftragte Gericht
vereinbaren die praktischen Modalitäten der Vernehmung.
Auf
Antrag wird das ersuchende Gericht erforderlichenfalls bei der Suche nach einem
Dolmetscher unterstützt.
Beweisaufnahme
durch Bedienstete diplomatischer oder konsularischer Vertretungen
Die
Mitgliedstaaten können in ihren nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit
für ihre Gerichte vorsehen, die Bediensteten ihrer diplomatischen oder
konsularischen Vertretungen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats und
innerhalb ihres Akkreditierungsbereichs aufzufordern, im Rahmen eines bei den
Gerichten des von ihnen vertretenen Mitgliedstaats anhängigen Verfahrens -
sofern keine besonderen Umstände vorliegen - ohne vorheriges Ersuchen in den
Räumlichkeiten der diplomatischen oder konsularischen Vertretung eine
Beweisaufnahme in Form einer Vernehmung von Staatsangehörigen des von ihnen
vertretenen Mitgliedstaats auf freiwilliger Basis und ohne den Einsatz von
Zwangsmaßnahmen durchzuführen. Der aufgeforderte Bedienstete der diplomatischen
oder konsularischen Vertretung erledigt das Ersuchen nach Maßgabe des Rechts
seines Mitgliedstaats.
ABSCHNITT 5
Kosten
Kosten
(1) Die
Erledigung eines Ersuchens um Beweisaufnahme nach Artikel 12
begründet keinen Anspruch auf Erstattung von Gebühren oder Auslagen.
(2) Abweichend
von Absatz 1 kann das ersuchte Gericht die Erstattung
von Gebühren oder Auslagen verlangen. Falls das ersuchte Gericht das verlangt,
stellt das ersuchende Gericht unverzüglich die Erstattung folgender Beträge
sicher:
-
der Aufwendungen für Sachverständige und
Dolmetscher und
-
der Kosten, die durch die Anwendung von Artikel
12 Absätze 3 und 4 entstanden
sind.
Die
Verpflichtung der Parteien, solche Aufwendungen und Auslagen zu tragen,
unterliegt dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts.
(3) Wird
die Stellungnahme eines Sachverständigen verlangt, so kann das ersuchte Gericht
vor der Erledigung des Ersuchens um Beweisaufnahme das ersuchende Gericht um
eine angemessene Kaution oder einen angemessenen Vorschuss für die
voraussichtlichen Kosten für die Stellungnahme des Sachverständigen bitten. In
allen übrigen Fällen darf die Erledigung eines Ersuchens um Beweisaufnahme
nicht von einer Kaution oder einem Vorschuss abhängig gemacht werden.
Die
Kaution oder der Vorschuss wird von den Parteien hinterlegt bzw. einbezahlt,
falls das im Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vorgesehen ist.
KAPITEL III
SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Handbuch
und Änderung des Anhangs I
(1) Die
Kommission erstellt und aktualisiert regelmäßig gemäß Artikel 29 Absatz 3 ein Handbuch, das
die von den Mitgliedstaaten nach Artikel 31 mitgeteilten
Angaben sowie die geltenden Übereinkünfte oder Vereinbarungen enthält. Sie
stellt das Handbuch in elektronischer Form bereit, insbesondere über das
Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen und über das
Europäische Justizportal.
(2) Der
Kommission wird die Befugnis übertragen, nach Artikel 24
delegierte Rechtsakte zur Änderung des Anhangs I zu erlassen, um die darin
vorgesehenen Formblätter zu aktualisieren oder technische Anpassungen an diesen
Formblättern vorzunehmen.
Ausübung
der Befugnisübertragung
(1) Die
Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in
diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.
(2) Die
Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 23
Absatz 2 wird der Kommission für einen Zeitraum von
fünf Jahren ab dem 22. Dezember 2020 übertragen. Die Kommission erstellt
spätestens neun Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht
über die Befugnisübertragung. Die Befugnisübertragung
verlängert sich stillschweigend um Zeiträume gleicher Länge, es sei denn, das
Europäische Parlament oder der Rat widersprechen einer solchen Verlängerung
spätestens drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Zeitraums.
(3) Die
Befugnisübertragung gemäß Artikel 23
Absatz 2 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat
jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung
der in dem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner
Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss
über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von
delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über
den Widerruf nicht berührt.
(4) Vor
dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den
einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen, im Einklang mit den in
der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere
Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen.
(5) Sobald
die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn
gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.
(6) Ein
delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 23 Absatz 2 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das
Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach
Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat
Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist sowohl das Europäische
Parlament als auch der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie
keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder
des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.
Erlass
von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission
(1) Die
Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte zur Einrichtung des dezentralen IT-Systems,
durch die sie Folgendes festlegt:
a) die
technische Spezifikation zur Festlegung der Methoden zur elektronischen
Kommunikation für die Zwecke des dezentralen IT-Systems;
b) die
technischen Spezifikationen für Kommunikationsprotokolle;
c) die
Informationssicherheitsziele und entsprechenden technischen Maßnahmen zur
Gewährleistung von Mindeststandards für die Informationssicherheit bei der
Verarbeitung und Übermittlung von Informationen im dezentralen IT-System;
d) die
Mindestverfügbarkeitsziele und mögliche damit verbundene technische
Anforderungen an die Leistungen des dezentralen IT-Systems;
e) die
Einsetzung eines aus Vertretern der Mitgliedstaaten bestehenden
Lenkungsausschusses, um zur Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung den
Betrieb sowie die Wartung und Pflege des dezentralen IT-Systems
sicherzustellen.
(2) Die
Durchführungsrechtsakte nach Absatz 1 des vorliegenden
Artikels werden spätestens am 23. März 2022 gemäß dem in Artikel 26 Absatz 2 genannten
Prüfverfahren erlassen.
Ausschussverfahren
(1) Die
Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein
Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.
(2) Wird
auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.
Referenzimplementierungssoftware
(1) Die
Kommission ist verantwortlich für die Schaffung, Wartung und Pflege sowie
künftige Weiterentwicklung einer Referenzimplementierungssoftware, für deren
Einsatz sich die Mitgliedstaaten als ihr Back-End-System anstelle eines
nationalen IT-Systems entscheiden können. Die Schaffung, Wartung und Pflege
sowie künftige Weiterentwicklung der Referenzimplementierungssoftware werden
aus dem Gesamthaushalt der Union finanziert.
(2) Die
Kommission übernimmt die Bereitstellung, Wartung und Pflege sowie kostenlose
Implementierung der Softwarekomponenten, die den Zugangspunkten zugrunde
liegen.
Kosten
des dezentralen IT-Systems
(1) Jeder
Mitgliedstaat trägt die Kosten für Installation, Betrieb sowie Wartung und
Pflege seiner Zugangspunkte, über welche die nationalen IT-Systeme im Rahmen
des dezentralen IT-Systems vernetzt sind.
(2) Jeder
Mitgliedstaat trägt die Kosten für die Einrichtung und Anpassung seiner
nationalen IT-Systeme zur Herstellung der Interoperabilität mit den
Zugangspunkten sowie die Kosten für Verwaltung, Betrieb und Instandhaltung
dieser Systeme.
(3) Die
Absätze 1 und 2 lassen die
Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, Finanzhilfen zur Unterstützung der
in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Rahmen der Finanzierungsprogramme
der Union zu beantragen.
Verhältnis
zu Übereinkünften oder Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten
(1) Diese
Verordnung hat in ihrem Anwendungsbereich und in den Beziehungen zwischen den
Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien einschlägiger, von den Mitgliedstaaten geschlossener
bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte oder Vereinbarungen sind,
insbesondere des Haager Übereinkommens vom 1. März 1954 über den Zivilprozess
und des Haager Übereinkommens vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im
Ausland in Zivil- oder Handelssachen, Vorrang vor anderen Bestimmungen der
genannten Übereinkünfte oder Vereinbarungen.
(2) Diese
Verordnung hindert Mitgliedstaaten nicht daran, Übereinkünfte oder
Vereinbarungen zur weiteren Vereinfachung der Beweisaufnahme beizubehalten oder
zu schließen, sofern diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit der
vorliegenden Verordnung vereinbar sind.
(3) Die
Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission:
a) eine
Abschrift der zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte oder
Vereinbarungen nach Absatz 2 sowie die Entwürfe von
ihnen geplanter Übereinkünfte oder Vereinbarungen und
b) jede
Kündigung oder Änderung dieser Übereinkünfte oder Vereinbarungen.
Schutz
übermittelter Informationen
(1) Die
nach dieser Verordnung durchgeführte Verarbeitung personenbezogener Daten,
einschließlich des Austausches oder der Übermittlung personenbezogener Daten
durch die zuständigen Behörden, erfolgt gemäß der Verordnung (EU) 2016/679.
Der
Austausch oder die Übermittlung von Informationen durch die zuständigen Stellen
auf Ebene der Union erfolgt gemäß der Verordnung (EU) 2018/1725.
Personenbezogene
Daten, die für die Bearbeitung eines einzelnen Falls nicht relevant sind,
werden sofort gelöscht.
(2) Die
nach nationalem Recht zuständige Behörde oder zuständigen Behörden gilt bzw.
gelten für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der vorliegenden
Verordnung als Verantwortliche im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679.
(3) Unbeschadet
der Absätze 1 und 2 darf das
ersuchte Gericht die nach dieser Verordnung übermittelten Informationen nur zu
dem Zweck verwenden, zu dem sie übermittelt wurden.
(4) Ersuchte
Gerichte stellen die Vertraulichkeit derartiger Informationen nach Maßgabe
ihres nationalen Rechts sicher.
(5) Die
Absätze 3 und 4 berühren
nicht das Auskunftsrecht von Betroffenen über die Verwendung der nach dieser
Verordnung übermittelten Informationen, das ihnen nach dem nationalen Recht
zusteht.
(6) Die
Richtlinie 2002/58/EG bleibt von dieser Verordnung unberührt.
Mitteilungen
(1) Die
Mitgliedstaaten teilen der Kommission Folgendes mit:
a) die
Liste nach Artikel 3 Absatz 2
sowie eine Angabe des örtlichen und gegebenenfalls fachlichen
Zuständigkeitsbereichs der Gerichte;
b) die
Namen und Anschriften der gemäß Artikel 4 Absatz 3 benannten Zentralstellen und zuständigen Behörden unter
Angabe ihres örtlichen Zuständigkeitsbereichs;
c) die
technischen Mittel, über welche die in der nach Artikel 3
Absatz 2 erstellten Liste aufgeführten Gerichte für
die Entgegennahme von Ersuchen verfügen;
d) die
Sprachen, die nach Artikel 6 für Ersuchen zugelassen sind.
(2) Die
Mitgliedstaaten teilen der Kommission alle späteren Änderungen der in
Absatz 1 angeführten Angaben mit.
(3) Jeder
Mitgliedstaat teilt der Kommission die Angaben zu den anderen Behörden mit, die
zur Beweisaufnahme für die Zwecke von Gerichtsverfahren in Zivil- oder
Handelssachen befugt sind. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission alle
späteren Änderungen dieser Angaben mit.
(4) Sind
Mitgliedstaaten in der Lage, den Betrieb des dezentralen IT-Systems früher als
in dieser Verordnung vorgeschrieben aufzunehmen, so können sie das der Kommission
mitteilen. Die Kommission stellt diese Informationen auf elektronischem Wege
zur Verfügung, insbesondere im Europäischen Justizportal.
Monitoring
(1) Die
Kommission erstellt bis zum 2. Juli 2023 ein ausführliches Programm für das
Monitoring der Leistungen, der Ergebnisse und der Wirkung dieser Verordnung.
(2) In
dem Monitoring-Programm wird festgelegt, welche Maßnahmen die Kommission und
die Mitgliedstaaten zum Monitoring der Leistungen, der Ergebnisse und der
Wirkung dieser Verordnung zu treffen haben. Ferner wird darin festgelegt, wann
die in Absatz 3 genannten Daten erstmals zu erfassen
sind - spätestens bis zum 2. Juli 2026 - und in welchen weiteren Zeitabständen
diese Daten zu erfassen sind.
(3) Die
Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission je nach Verfügbarkeit folgende für
die Zwecke des Monitorings erforderliche Daten:
a) die Anzahl der nach Artikel 7 Absatz 1 bzw. nach Artikel 19 Absatz 1 jeweils
übermittelten Ersuchen um Beweisaufnahme;
b) die Anzahl der nach Artikel 12 bzw. nach Artikel 19 Absatz 8 jeweils erledigten Ersuchen um Beweisaufnahme;
c) die
Anzahl der Fälle, in denen das Ersuchen um Beweisaufnahme mit anderen Mitteln
als dem dezentralen IT-System nach Artikel 7 Absatz 4 übermittelt wurde.
(4) Die
Referenzimplementierungssoftware und - soweit es dafür ausgerüstet ist - das
nationale Back-End-System erfassen die in Absatz 3 Buchstaben a und b genannten Daten durch
entsprechende Programmierung und übermitteln sie regelmäßig der Kommission.
Bewertung
(1) Spätestens
fünf Jahre nach Geltungsbeginn des Artikels 7 gemäß
Artikel 35 Absatz 3
führt die Kommission eine Bewertung dieser Verordnung durch und legt dem
Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschuss einen Bericht mit ihren wichtigsten Ergebnissen -
gegebenenfalls zusammen mit einem Legislativvorschlag - vor.
(2) Die
Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission die Angaben, die für die
Ausarbeitung des in Absatz 1 genannten Berichts
erforderlich sind.
Aufhebung
(1) Die
Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 wird mit dem Tag des Beginns der Geltung der
vorliegenden Verordnung aufgehoben, mit Ausnahme des Artikels 6 der Verordnung
(EG) Nr. 1206/2001, der mit dem Tag des Geltungsbeginns des Artikels 7 nach
Artikel 35 Absatz 3 der vorliegenden Verordnung aufgehoben wird.
(2) Bezugnahmen
auf die aufgehobene Verordnung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende
Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle
in Anhang III zu lesen.
Inkrafttreten
und Geltung
(1) Diese
Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt
der Europäischen Union in Kraft.
Sie
gilt ab dem 1. Juli 2022.
(2) Artikel
31 Absatz 3 gilt ab dem 23.
März 2022.
(3) Artikel
7 gilt ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Zeitraum
von drei Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der in Artikel 25
genannten Durchführungsrechtsakte folgt.
Diese
Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen
unmittelbar in den Mitgliedstaaten.
Geschehen
zu Brüssel am 25. November 2020.
Im
Namen des Europäischen Parlaments
Der
Präsident
D. M.
SASSOLI
Im
Namen des Rates
Der
Präsident
M.
ROTH
---------------------------------------------
(1) ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 56.
(2) Standpunkt
des Europäischen Parlaments vom 13. Februar 2019 (noch nicht im Amtsblatt
veröffentlicht) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 4. November 2020
(noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht), Standpunkt des Europäischen
Parlaments vom 23. November 2020 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
(3) Verordnung
(EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen
den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil-
oder Handelssachen (ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 1).
(4) Verordnung
(EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren
betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale
Kindesentführungen (ABl. L 178 vom 2.7.2019, S. 1).
(5) Verordnung
(EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember
2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung
von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl.
L 351 vom 20.12.2012, S. 1).
(6) Verordnung
(EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012
über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher
Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen
Nachlasszeugnisses (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S.
107).
(7) Verordnung
(EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014
über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische
Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73).
(8) Verordnung
(EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018
zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten
durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien
Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des
Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom
21.11.2018, S. 39.)
(9) Verordnung
(EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum
Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum
freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG
(Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom
4.5.2016, S. 1).
(10) Verordnung
(EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das
anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die
Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl. L 7 vom
10.1.2009, S. 1).
(11) ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.
(12) Verordnung
(EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar
2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die
Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die
Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S.
13).
(13) Richtlinie
2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die
Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der
elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische
Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).
(14) ABl. C 370 vom 31.10.2019, S. 24.