Reichsgesetzblatt Jahrgang 1930, Teil II, Nr. 30, Seite 1006,
ausgegeben zu Berlin am 13. August 1930
Niederlassungsabkommen
zwischen dem Deutschen Reich
und dem Kaiserreich Persien
Der Deutsche Reichspräsident
und
Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien,
von dem Wunsche beseelt, entsprechend dem Freundschaftsvertrag vom heutigen Tage das
Niederlassungsrecht der deutschen Staatsangehörigen in Persien und der persischen
Staatsangehörigen in Deutschland zu regeln, haben beschlossen, ein Niederlassungsabkommen
abzuschließen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt,
Der Deutsche Reichspräsident:
Herrn Friedrich Werner Graf von der Schulenburg,
Deutschen Außerordentlichen Gesandten
und Bevollmächtigten Minister in Teheran,
Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien:
Seine Exzellenz Herrn Mirza Mohamed Ali Khan Farzine,
Regenten seines Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten,
die nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen
Vollmachten die nachstehenden Bestimmungen vereinbart haben:
Artikel 1
Die Angehörigen des einen vertragschließenden Staates werden in dem
Gebiete des anderen Staates hinsichtlich ihrer Person und ihrer Güter nach den
Grundsätzen und der Übung des allgemeinen Völkerrechts aufgenommen und behandelt. Sie
genießen dort den ständigen Schutz der Landesgesetze und -behörden für ihre Person und
für ihre Güter, Rechte und Interessen. Sie können unter der Bedingung, daß, und
solange als sie die auf diesem Gebiet geltenden Gesetze und Verordnungen beobachten, das
Gebiet des anderen vertragschließenden Staates betreten und verlassen, dort reisen, sich
dort aufhalten und niederlassen.
In allen diesen Angelegenheiten genießen sie eine Behandlung, die nicht weniger günstig
ist als die den Angehörigen des meistbegünstigten Staates gewährte Behandlung.
Die vorstehenden Vorschriften hindern jedoch keinen der vertragschließenden Staaten,
jederzeit Bestimmungen zu treffen, um die Einwanderung in sein Gebiet zu regeln oder zu
verbieten, sofern diese Bestimmungen nicht eine Maßnahme unterschiedlicher Behandlung
darstellen, die besonders gegen alle Angehörigen des anderen vertragschließenden Staates
gerichtet ist.
Artikel 2
Die Bestimmungen dieses Vertrages beeinträchtigen nicht das Recht jedes der
vertragschließenden Staaten, Angehörigen des anderen Staates im einzelnen Falle infolge
gerichtlicher Verfügung oder aus Gründen der inneren oder äußeren Sicherheit des
Staates oder auch aus Gründen der Armen, Gesundheits- und Sittenpolizei den Aufenthalt zu
versagen.
Die Ausweisung wird unter Bedingungen, die den Anforderungen der Hygiene und
Menschlichkeit entsprechen, durchgeführt werden.
Artikel 3
Die Angehörigen jedes vertragschließenden Staates haben im Gebiet des
anderen Staates, sofern sie die Landesgesetze und -verordnungen beobachten, das Recht, in
gleicher Weise wie die Inländer jede Art von Gewerbe und Handel zu betreiben und jedes
Handwerk und jeden Beruf auszuüben, soweit es sich nicht um ein Staatsmonopol oder um die
Ausbeutung eines vom Staate verliehenen Monopols handelt.
Diese Vorschrift findet auch insoweit keine Anwendung, als die Eigenschaft als Inländer
nach den genannten Gesetzen und Verordnungen eine unerläßliche Bedingung für die
Ausübung eines Berufs bildet.
Artikel 4
Aktiengesellschaften und Handelsgesellschaften jeder Art einschließlich der
Industrie-, Finanz-, Versicherungs-, Verkehrs- und Transportgesellschaften, die im Gebiet
des einen vertragschließenden Staates ihren Sitz haben und gemäß den Gesetzen des
Landes ihres Sitzes errichtet und anerkannt sind, werden auch in dem Gebiet des anderen
Staates in ihrer Rechts-, Geschäfts- und Prozeßfähigkeit anerkannt.
Ihre Zulassung zur Ausübung einer geschäftlichen Tätigkeit im Gebiet des anderen
Staates bestimmt sich nach den dort geltenden Gesetzen und Vorschriften.
Hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Zulassung, der Ausübung ihrer Tätigkeit und in
jeder anderen Beziehung können die genannten Gesellschaften unter der Bedingung, daß sie
die Gesetze und Vorschriften des Niederlassungsstaates beobachten, sich dort jeder
Handels- und Gewerbetätigkeit widmen, der sich gemäß Artikel 3 die
Angehörigen des Landes, wo sie errichtet worden sind, widmen können. Die genannten
Gesellschaften müssen in jeder Beziehung wie die gleichartigen Unternehmungen der
meistbegünstigten Nation behandelt werden.
Artikel 5
Die Angehörigen und die in Artikel 4 aufgeführten
Gesellschaften des einen vertragschließenden Staates genießen im Gebiet des anderen
Staates sowohl für ihre Person wie für ihre Güter, Rechte und Interessen in bezug auf
Steuern, Gebühren und Abgaben jeder Art sowie alle anderen Lasten fiskalischen Charakters
in jeder Beziehung bei den Finanzbehörden und Finanzgerichten die gleiche Behandlung und
den gleichen Schutz wie die Inländer.
Artikel 6
Die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten haben im Gebiet des
anderen Staates, wenn sie die dort geltenden Gesetze und Verordnungen beobachten, das
Recht, dort jede Art von Rechten und von beweglichem Vermögen zu erwerben, zu besitzen
und zu veräußern. Sie werden in dieser Hinsicht wie die Angehörigen der
meistbegünstigten Nation behandelt.
Hinsichtlich der Grundstücke und der Rechte an Grundstücken werden die Angehörigen
jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates in jedem Falle wie
die Angehörigen der meistbegünstigten Nation behandelt. Bis zum Abschluß eines
besonderen Abkommens besteht Einverständnis, daß die deutschen Staatsangehörigen in
Persien nur berechtigt sind, Grundstücke, die sie als Wohnung und zur Ausübung ihres
Berufes oder Gewerbes benötigen, zu erwerben, innezuhaben oder zu besitzen.
Artikel 7
Die Wohnungen und alle Grundstücke, die von Angehörigen eines
vertragschließenden Staates im Gebiet des anderen Staates in Übereinstimmung mit den
Vorschriften dieses Abkommens erworben, besessen und gemietet werden, können
Haussuchungen oder Durchsuchungen nur unter den gleichen Bedingungen und Förmlichkeiten
unterworfen werden, die durch die für Inländer geltenden Gesetze vorgeschrieben sind.
Ebenso dürfen Geschäftsbücher, Abrechnungen oder Urkunden irgendwelcher Art, die sich
in den Wohnungen oder Geschäftsräumen der Angehörigen des einen vertragschließenden
Staates im Gebiet des anderen Staates befinden, nur unter den Bedingungen und
Förmlichkeiten einer Prüfung oder Beschlagnahme unterzogen werden, die durch die
geltenden Gesetze für die Inländer vorgeschrieben sind.
Artikel 8
Die Angehörigen jedes vertragschließenden Staates genießen im Gebiet des
anderen Staates in allem, was den gerichtlichen und behördlichen Schutz ihrer Person und
ihrer Güter angeht, die gleiche Behandlung wie die Inländer.
Sie haben insbesondere freien und völlig ungehinderten Zutritt zu den Gerichten und
können vor Gericht unter den gleichen Bedingungen wie die Inländer auftreten. Jedoch
werden bis zum Abschluß eines besonderen Abkommens die Voraussetzungen für das
Armenrecht und die Sicherheitsleistung für Prozeßkosten durch die örtliche Gesetzgebung
geregelt.
In bezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht bleiben die
Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates jedoch
den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen. Die Anwendung dieser Gesetze kann
von dem anderen vertragschließenden Staat nur ausnahmsweise und nur insoweit
ausgeschlossen werden, als ein solcher Ausschluß allgemein gegenüber jedem anderen
fremden Staat erfolgt.
Artikel 9
Die Angehörigen jedes vertragschließenden Staates sind in Friedens- und
Kriegszeit im Gebiet des anderen Staates außer im Falle der Abwehr einer Naturkatastrophe
von jeder staatlichen Arbeitspflicht befreit. Sie sind von jedem militärischen
Zwangsdienst, sei es in der Armee, Marine und Luftwehr, sei es in der Nationalgarde oder
Miliz, und ebenso von jeder an Stelle des persönlichen Dienstes auferlegten Abgabe
befreit. Die Angehörigen jedes vertragschließenden Staates sind auf dem Gebiet des
anderen Staates von allen Zwangsanleihen befreit. Sie können militärischen und
nichtmilitärischen Requisitionen gleichviel welcher Art oder Enteignungen zum
öffentlichen Nutzen nur unter den gleichen Bedingungen und im gleichen Maße wie die
Angehörigen der meistbegünstigten Nation unterworfen werden.
Bei den in Abs. 1 dieses Artikels behandelten Requisitionen sowie bei Enteignungen zum
öffentlichen Nutzen erhalten die Angehörigen des einen vertragschließenden Staates im
Gebiet des anderen Staates für die angeforderten oder enteigneten Vermögenswerte eine
angemessene Entschädigung, wobei die gesetzlichen Vorschriften des letzteren über die
Modalitäten solcher Entschädigungen Beachtung finden.
Die Bestimmungen dieses Artikels finden auch auf die in Artikel 4
erwähnten Gesellschaften Anwendung.
Artikel 10
Dieses Abkommen ist in doppelter Urschrift in deutscher, persischer und
französischer Sprache abgefaßt. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des
Abkommens ist der französische Wortlaut maßgebend.
Das Abkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich
ausgetauscht werden.
Das Abkommen tritt einen Monat nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und
bleibt fünf Jahre in Geltung. Wird es nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist
gekündigt, so gilt es als stillschweigend für unbestimmte Zeit verlängert. Es kann dann
jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen gehörig beglaubigten Bevollmächtigten dieses
Abkommen unterzeichnet und ihm ihre Siegel beigesetzt.
Teheran, den 17. Februar 1929.
(gez.) Friedrich Werner Graf von der Schulenburg.
(gez.) M. Farzine. |