Europäisches Übereinkommen über
Staatenimmunität
vom 16. Mai 1972
(BGBl. 1990 II S. 35)
Präambel
Die Mitgliedstaaten des Europarats, die
dieses Übereinkommen unterzeichnet haben,
in der Erwägung, daß
es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung zwischen seinen
Mitgliedern herzustellen,
unter Berücksichtigung der Tatsache, daß im internationalen Recht die Tendenz besteht, die Fälle
einzuschränken, in denen ein Staat vor ausländischen Gerichten Immunität
beanspruchen kann,
in dem Wunsch, für ihre gegenseitigen
Beziehungen gemeinsame Regeln aufzustellen, die das Ausmaß der Immunität von
der Gerichtsbarkeit bestimmen, die ein Staat vor den Gerichten eines anderen
Staates genießt, und die Durchsetzung der gegen einen Staat ergangenen
Entscheidungen zu sichern,
in der Erwägung, daß
die Annahme solcher Regeln geeignet ist, zum Fortschritt des
Vereinheitlichungswerks der Mitgliedstaaten des Europarats auf dem Gebiet des
Rechts beizutragen, haben folgendes vereinbart:
Kapitel I
Immunität von der Gerichtsbarkeit
Artikel 1
(1) Ein Vertragsstaat, der vor einem
Gericht eines anderen Vertragsstaats ein Verfahren anhängig macht oder einem
solchen als Intervenient beitritt, unterwirft sich für das
Verfahren der Gerichtsbarkeit der Gerichte dieses Staates.
(2) Ein solcher Vertragsstaat kann vor den
Gerichten des anderen Vertragsstaats für eine Widerklage Immunität von der
Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen,
a) wenn sich die Widerklage aus dem
Rechtsverhältnis oder aus dem Sachverhalt herleitet, auf die sich die
Hauptklage stützt;
b) wenn dieser Staat Immunität von der
Gerichtsbarkeit nach diesem Übereinkommen nicht hätte beanspruchen können, wäre
vor den Gerichten des anderen Staates eine besondere Klage gegen ihn erhoben
worden.
(3) Ein Vertragsstaat, der vor dem Gericht
eines anderen Vertragsstaats eine Widerklage erhebt, unterwirft sich der
Gerichtsbarkeit der Gerichte dieses Staates sowohl für die Haupt- als auch für
die Widerklage.
Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht
eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht
beanspruchen, wenn er sich verpflichtet hat, sich der Gerichtsbarkeit dieses
Gerichts zu unterwerfen, und zwar
a) durch internationale Vereinbarung,
b) durch ausdrückliche Bestimmung in einem schriftlichen
Vertrag oder
c) durch nach Entstehen der Streitigkeit ausdrücklich
erklärte Zustimmung.
Artikel 3
(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem
Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht
beanspruchen, wenn er sich vor Geltendmachung der Immunität zur Hauptsache einläßt. Weist er jedoch nach, daß
er von den Tatsachen, auf Grund welcher er Immunität hätte beanspruchen können,
erst nachträglich Kenntnis erlangen konnte, so kann er die Immunität
beanspruchen, wenn er sich auf diese Tatsachen so bald wie möglich beruft.
(2) Tritt ein Vertragsstaat vor einem
Gericht eines anderen Vertragsstaats auf, um Immunität zu beanspruchen, so gilt
dies nicht als Verzicht auf die Immunität.
Artikel 4
(1) Vorbehaltlich des Artikels 5 kann ein
Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates Immunität von der
Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren eine von dem Staat in einem
nicht völkerrechtlichen Vertrag eingegangene Verpflichtung betrifft und die
Verpflichtung im Gerichtsstaat zu erfüllen ist.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,
a) wenn der Vertrag zwischen Staaten
geschlossen worden ist,
b) wenn die Vertragsparteien schriftlich
etwas anderes vereinbart haben,
c) wenn der Vertrag von dem Staat in
seinem Hoheitsgebiet geschlossen worden ist und die Verpflichtung des Staates
seinem Verwaltungsrecht unterliegt.
Artikel 5
(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem
Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht
beanspruchen, wenn das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen
Person geschlossenen Arbeitsvertrag betrifft und die Arbeit im Gerichtsstaat zu
leisten ist.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,
a) wenn die natürliche Person im Zeitpunkt
der Einleitung des Verfahrens die Staatsangehörigkeit des Staates hat, der ihr
Arbeitgeber ist,
b) wenn sie im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses weder Angehörige des Gerichtsstaats war noch ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat hatte oder
c) wenn die Vertragsparteien schriftlich
etwas anderes vereinbart haben, sofern nicht nach dem
Recht des Gerichtsstaats dessen Gerichte wegen der Art der Streitigkeit
ausschließlich zuständig sind.
(3) Wird die Arbeit für ein Büro, eine
Agentur oder eine andere Niederlassung im Sinne des Artikels 7 geleistet, so
ist Absatz 2 Buchstaben a und b nur anzuwenden, wenn die natürliche Person im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat
hatte, der ihr Arbeitgeber ist.
Artikel 6
(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem
Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht
beanspruchen, wenn er sich gemeinsam mit einer oder mehreren Privatpersonen an
einer Gesellschaft, Vereinigung oder juristischen Person beteiligt, die ihren
tatsächlichen oder satzungsmäßigen Sitz oder ihre Hauptniederlassung im
Gerichtsstaat hat, und wenn das Verfahren die Beziehungen betrifft, die sich
aus dieser Beteiligung zwischen dem Staat einerseits und der Gesellschaft,
Vereinigung oder juristischen Person oder weiteren Beteiligten andererseits
ergeben.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn
schriftlich etwas anderes vereinbart worden ist.
Artikel 7
(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem
Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht
beanspruchen, wenn er im Gerichtsstaat ein Büro, eine Agentur oder eine andere
Niederlassung hat, durch die er auf die gleiche Weise wie eine Privatperson
eine gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit ausübt, und wenn das Verfahren diese Tätigkeit des Büros, der Agentur oder
der Niederlassung betrifft.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn
alle Streitparteien Staaten sind oder wenn die Parteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben.
Artikel 8
(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem
Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht
beanspruchen, wenn sich das Verfahren bezieht
a) auf ein Patent, ein gewerbliches Muster
oder Modell, ein Warenzeichen, eine Dienstleistungsmarke oder ein anderes
gleichartiges Recht, das im Gerichtsstaat angemeldet, hinterlegt, eingetragen
oder auf andere Weise geschützt ist, wenn der Staat Anmelder, Hinterleger oder
Inhaber ist;
b) auf die Behauptung, der Staat habe im
Gerichtsstaat ein solches, dort geschütztes und einem Dritten zustehendes Recht
verletzt;
c) auf die Behauptung, der Staat habe im
Gerichtsstaat ein dort geschütztes und einem Dritten zustehendes Urheberrecht verletzt;
d) auf das Recht zum Gebrauch einer Firma
im Gerichtsstaat.
Artikel 9
(1) Ein Vertragsstaat kann vor den
Gerichten eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht
beanspruchen, wenn sich das Verfahren bezieht
a) auf ein Recht des Staates an
unbeweglichem Vermögen, auf den Besitz oder den Gebrauch solchen Vermögens
durch den Staat oder
b) auf seine Pflichten, die ihm als
Inhaber von Rechten an unbeweglichem Vermögen oder als Besitzer obliegen oder
sich aus dem Gebrauch eines solchen Vermögens ergeben,
sofern das unbewegliche Vermögen im
Gerichtsstaat gelegen ist.
Artikel 10
(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem
Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht
beanspruchen, wenn das Verfahren ein Recht an beweglichem oder unbeweglichem
Vermögen betrifft, das zu einer Erbschaft oder Schenkung gehört oder erb- oder
herrenlos ist.
Artikel 11
(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem
Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht
beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines
Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat
eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem
Staat aufgehalten hat.
Artikel 12
(1) Hat ein Vertragsstaat schriftlich
zugestimmt, daß bestehende oder künftige zivil- oder
handelsrechtliche Streitigkeiten einem schiedsrichterlichen Verfahren
unterworfen werden, so kann er vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats,
in dessen Hoheitsgebiet oder nach dessen Recht das schiedsrichterliche
Verfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat, Immunität von der
Gerichtsbarkeit für kein Verfahren beanspruchen, das
a) die Gültigkeit oder die Auslegung der
Schiedsvereinbarung,
b) das schiedsrichterliche Verfahren,
c) die Aufhebung des Schiedsspruchs
betrifft, sofern nicht die Schiedsvereinbarung etwas anderes
vorsieht.
(2) Absatz 1 ist auf eine
Schiedsvereinbarung zwischen Staaten nicht anzuwenden.
Artikel 1 Absatz 1 ist nicht anzuwenden,
wenn ein Vertragsstaat in einem Verfahren, das vor einem Gericht eines anderen
Vertragsstaats anhängig und in dem er nicht Partei ist, geltend macht, er habe
ein Recht an dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Vermögen, sofern der
Staat Immunität hätte beanspruchen können, wäre das Verfahren gegen ihn
gerichtet gewesen.
Dieses Übereinkommen darf nicht so
ausgelegt werden, daß es ein Gericht eines
Vertragsstaats nur deshalb daran hindert, Vermögenswerte wie etwa ein
Treuhandvermögen oder eine Konkursmasse zu verwalten oder deren Verwaltung zu
veranlassen oder zu überwachen, weil ein anderer Vertragsstaat ein Recht an dem
Vermögen hat.
Artikel 15
(1) Ein Vertragsstaat kann vor den
Gerichten eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit
beanspruchen, wenn das Verfahren nicht unter die Artikel 1 bis 14 fällt; das
Gericht muß die Durchführung eines solchen Verfahrens
auch dann ablehnen, wenn sich der Staat daran nicht beteiligt.
Kapitel II
Verfahrensvorschriften
Artikel 16
(1) Die nachstehenden Vorschriften gelten
für Verfahren gegen einen Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen
Vertragsstaats.
(2) Die zuständigen Behörden des
Gerichtsstaats übermitteln
auf diplomatischem Weg dem
Außenministerium des beklagten Staates zur etwaigen Weiterleitung an die zuständige
Behörde. Diesen Urkunden ist erforderlichenfalls eine Übersetzung in die
Amtssprache oder in eine der Amtssprachen des beklagten Staates beizufügen.
(3) Die Zustellung der in Absatz 2
bezeichneten Urkunden gilt als mit ihrem Eingang beim Außenministerium bewirkt.
(4) Die Fristen zur Beteiligung am
Verfahren und die Rechtsmittelfristen bei
Versäumnisentscheidungen beginnen zwei Monate nach dem Eingang des das
Verfahren einleitenden Schriftstücks oder der Abschrift der Entscheidung beim
Außenministerium.
(5) Ist es Sache des Gerichts, die Fristen
zur Beteiligung am Verfahren oder die Rechtsmittelfristen
bei Versäumnisentscheidungen zu bestimmen, so kann es dem Staat keine Frist
setzen, die vor Ablauf von zwei Monaten nach dem Eingang des das Verfahren
einleitenden Schriftstücks oder der Abschrift der Entscheidung beim
Außenministerium endet.
(6) Beteiligt sich ein Vertragsstaat an dem
Verfahren, so gilt dies als Verzicht auf alle Einwendungen gegen die Art der
Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks.
(7) Hat sich der Vertragsstaat nicht an dem
Verfahren beteiligt, so kann eine Versäumnisentscheidung gegen ihn nur ergehen,
wenn festgestellt ist, daß ihm das der Einleitung des
Verfahrens dienende Schriftstück nach Absatz 2 übermittelt worden ist und daß die in den Absätzen 4 und 5 vorgesehenen Fristen für
die Beteiligung am Verfahren eingehalten worden sind.
Einem Vertragsstaat darf zur Sicherung
der Verfahrenskosten keine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung auferlegt
werden, unter welcher Bezeichnung es auch sei, die im Gerichtsstaat nicht von
einem Angehörigen dieses Staates oder von einer Person verlangt werden könnte,
die dort ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Der Staat, der vor einem Gericht
eines anderen Vertragsstaats als Kläger auftritt, hat alle ihm auferlegten
Verfahrenskosten zu zahlen.
Gegen einen Vertragsstaat, der in einem
Verfahren vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Partei ist, dürfen
keine Zwangs- oder Strafmaßnahmen verhängt werden, weil er es ablehnt oder unterläßt, Beweismittel beizubringen. Das Gericht kann
jedoch aus einer solchen Ablehnung oder Unterlassung die ihm gerechtfertigt
scheinenden Schlüsse ziehen.
Artikel 19
(1) Ein Gericht, vor dem ein Verfahren
anhängig ist, in dem ein Vertragsstaat Partei ist, hat auf Antrag einer Partei
oder, wenn sein innerstaatliches Recht dies gestattet, von Amts wegen die Klage
abzuweisen oder das Verfahren auszusetzen, wenn ein anderes auf demselben
Sachverhalt beruhendes und denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen
denselben Parteien
a) vor einem Gericht dieses Vertragsstaats
anhängig und als erstes eingeleitet worden ist oder
b) vor einem Gericht eines anderen
Vertragsstaats anhängig ist, als erstes eingeleitet worden ist und zu einer
Entscheidung führen kann, die der an dem Verfahren beteiligte Staat nach
Artikel 20 oder 25 zu erfüllen hätte.
(2) Jeder Vertragsstaat, dessen Recht es
den Gerichten gestattet, die Klage abzuweisen oder das Verfahren auszusetzen,
wenn vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats bereits ein auf demselben
Sachverhalt beruhendes und denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen
denselben Parteien anhängig ist, kann durch eine an den Generalsekretär des
Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß
seine Gerichte an Absatz 1 nicht gebunden sind.
Kapitel III
Wirkungen der Entscheidungen
Artikel 20
(1) Ein Vertragsstaat hat die gegen ihn
ergangene Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats zu erfüllen,
a) wenn er nach den Artikeln 1 bis 13
Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen konnte und
b) wenn die Entscheidung nicht oder nicht
mehr Gegenstand eines Einspruchs gegen eine Versäumnisentscheidung, einer
Berufung oder eines anderen ordentlichen Rechtsmittels oder einer
Kassationsbeschwerde sein kann.
(2) Ein Vertragsstaat ist jedoch nicht
verpflichtet, eine solche Entscheidung zu erfüllen,
a) wenn dies offensichtlich gegen die
öffentliche Ordnung dieses Staates verstieße;
b) wenn ein auf demselben Sachverhalt
beruhendes und denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen denselben
Parteien
i) vor einem Gericht dieses Staates anhängig und als erstes
eingeleitet worden ist oder
ii) vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats anhängig
ist, als erstes eingeleitet worden ist und zu einer Entscheidung führen kann,
die der an dem Verfahren beteiligte Staat nach dem Übereinkommen zu erfüllen
hätte;
c) wenn die Wirkungen der Entscheidung
unvereinbar sind mit denen einer anderen zwischen denselben Parteien ergangenen
Entscheidung
i) eines Gerichts des Vertragsstaats, sofern das Verfahren
vor diesem Gericht als erstes eingeleitet worden und diese andere Entscheidung
ergangen ist, bevor die Entscheidung die Voraussetzungen des Absatzes 1
Buchstabe b erfüllt hat, oder
ii) eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats, sofern dessen
Entscheidung als erste die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Voraussetzungen
erfüllt hat;
d) wenn Artikel 16 nicht eingehalten
worden ist und der Staat sich an dem Verfahren nicht beteiligt oder gegen eine
Versäumnisentscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Ferner ist ein Vertragsstaat in den in Artikel 10
bezeichneten Fällen nicht verpflichtet, die Entscheidung zu erfüllen,
a) wenn die Gerichte im Gerichtsstaat
nicht zuständig gewesen wären, hätten sie die in dem Staat, gegen den die
Entscheidung ergangen ist, geltenden Zuständigkeitsvorschriften - mit Ausnahme
der Zuständigkeitsvorschriften in der Anlage zu diesem
Übereinkommen - entsprechend
b) wenn das Gericht wegen der Anwendung
eines anderen Rechtes als desjenigen, das nach den Regeln des internationalen
Privatrechts dieses Staates anzuwenden gewesen wäre, zu einem anderen Ergebnis
gekommen ist als demjenigen, zu dem die Anwendung des von diesen Regeln
bezeichneten Rechtes geführt hätte.
Ein Vertragsstaat kann sich jedoch auf
die Ablehnungsgründe der Buchstaben a und b nicht berufen, wenn er mit dem
Gerichtsstaat durch ein Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung
gerichtlicher Entscheidungen verbunden ist und die Entscheidung die
Voraussetzungen dieses Abkommens hinsichtlich der Zuständigkeit und
gegebenenfalls des anzuwendenden Rechtes erfüllt.
Artikel 21
(1) Ist gegen einen Vertragsstaat eine
Entscheidung ergangen und erfüllt er sie nicht, so kann die Partei, die sich
auf die Entscheidung beruft, von dem zuständigen Gericht dieses Staates eine
Feststellung darüber verlangen, ob die Entscheidung nach Artikel 20 erfüllt
werden muß. Wenn sein Recht ihm dies gestattet, kann
auch der Staat, gegen den die Entscheidung ergangen ist, das Gericht anrufen.
(2) Vorbehaltlich des Artikels 20 darf das
Gericht des betreffenden Staates die Entscheidung in der Sache selbst nicht
nachprüfen.
(3) Wird vor einem Gericht eines Staates
ein Verfahren nach Absatz 1 eingeleitet,
a) so ist den Parteien in dem Verfahren
rechtliches Gehör zu gewähren,
b) so sind die von der Partei, die sich
auf die Entscheidung beruft, vorgelegten Urkunden von der Legalisation und
allen anderen gleichartigen Förmlichkeiten befreit,
c) so darf von der Partei, die sich auf
die Entscheidung beruft, wegen ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Wohnsitzes oder
ihres Aufenthalts weder eine Sicherheitsleistung noch eine Hinterlegung, unter
welcher Bezeichnung es auch sei, verlangt werden,
d) so ist die Partei, die sich auf die
Entscheidung beruft, zur Prozeßkostenhilfe unter
Bedingungen zuzulassen, die mindestens ebenso günstig sind wie diejenigen, die
für eigene Staatsangehörige mit Wohnsitz oder Aufenthalt in diesem Staat
gelten.
(4) Jeder Vertragsstaat bezeichnet das
Gericht oder die Gerichte im Sinne des Absatzes 1 und verständigt davon den
Generalsekretär des Europarats bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-,
Annahme- oder Beitrittsurkunde.
Artikel 22
(1) Ein Vertragsstaat hat einen Vergleich
zu erfüllen, an dem er als Partei beteiligt ist und der in einem Verfahren vor
einem Gericht eines anderen Vertragsstaats geschlossen worden ist; Artikel 20
ist auf einen solchen Vergleich nicht anwendbar.
(2) Erfüllt der Staat den Vergleich nicht,
so kann von dem in Artikel 21 vorgesehenen Verfahren Gebrauch gemacht werden.
In einem Vertragsstaat darf gegen das
Vermögen eines anderen Vertragsstaats weder eine Zwangsvollstreckung
durchgeführt noch eine Sicherungsmaßnahme getroffen werden, außer in dem Fall
und in dem Ausmaß, in denen der Staat selbst ausdrücklich in Schriftform
zugestimmt hat.
Kapitel IV
Bestimmungen, deren Annahme freigestellt ist
Artikel 24
(1) Vorbehaltlich des Artikels 15 kann
jeder Staat bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner
Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde oder jederzeit danach durch eine
an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß seine Gerichte über die Fälle der Artikel 1 bis 13
hinaus in Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat in demselben Ausmaß wie
in Verfahren gegen Nichtvertragsstaaten entscheiden können. Diese Erklärung läßt die Immunität von der Gerichtsbarkeit unberührt, die
fremde Staaten hinsichtlich der in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommenen
Handlungen (acta iure imperii)
genießen.
(2) Die Gerichte eines Staates, der die
Erklärung nach Absatz 1 abgegeben hat, dürfen jedoch in einem Verfahren gegen
einen anderen Vertragsstaat nicht entscheiden, wenn ihre Zuständigkeit nur auf
einen oder mehrere der in der Anlage zu diesem Übereinkommen bezeichneten
Gründe gestützt werden kann, sofern sich der andere Vertragsstaat nicht zur
Hauptsache einläßt, ohne die Einrede der mangelnden
Zuständigkeit des Gerichts erhoben zu haben.
(3) Auf Verfahren, die nach diesem Artikel
gegen einen Vertragsstaat anhängig gemacht werden, ist Kapitel II anzuwenden.
(4) Die Erklärung nach Absatz 1 kann durch
eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation
zurückgenommen werden. Die Zurücknahme wird drei Monate nach ihrem Eingang
wirksam, berührt aber nicht die vor Ablauf dieser Frist eingeleiteten
Verfahren.
Artikel 25
(1) Jeder Vertragsstaat, der die Erklärung
nach Artikel 24 abgegeben hat, muß in anderen als den
Fällen der Artikel 1 bis 13 die Entscheidung eines Gerichts eines anderen
Vertragsstaats, der die Erklärung ebenfalls abgegeben hat, erfüllen,
a) wenn die Voraussetzungen des Artikels
20 Absatz 1 Buchstabe b vorliegen und
b) wenn das Gericht nach den folgenden
Absätzen als zuständig anzusehen ist.
(2) Der Vertragsstaat ist jedoch nicht verpflichtet,
eine solche Entscheidung zu erfüllen,
a) wenn einer der Ablehnungsgründe des
Artikels 20 Absatz 2 vorliegt oder
b) wenn Artikel 24 Absatz 2 verletzt
worden ist.
(3) Vorbehaltlich des Absatzes 4 gilt ein
Gericht eines Vertragsstaats als zuständig im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b,
a) wenn seine Zuständigkeit durch eine
Vereinbarung anerkannt ist, die zwischen dem Gerichtsstaat und dem anderen
Vertragsstaat in Kraft ist,
b) bei Fehlen einer Vereinbarung zwischen
den beiden Staaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Zivilsachen, wenn die Gerichte im Gerichtsstaat zuständig gewesen wären, hätten
sie die in dem Staat, gegen den die Entscheidung ergangen ist, geltenden
Zuständigkeitsvorschriften - mit Ausnahme der Zuständigkeitsvorschriften in der
Anlage zu diesem Übereinkommen - entsprechend angewendet. Diese Bestimmung gilt
nicht für den Bereich des Vertragsrechts.
(4) Vertragsstaaten, die eine Erklärung
nach Artikel 24 abgegeben haben, können in einer Zusatzvereinbarung zu diesem
Übereinkommen die Voraussetzungen festlegen, unter denen ihre Gerichte als
zuständig im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b anzusehen sind.
(5) Erfüllt der Staat die Entscheidung
nicht, so kann von dem in Artikel 21 vorgesehenen Verfahren Gebrauch gemacht
werden.
Abweichend von Artikel 23 kann eine
Entscheidung, die gegen einen Vertragsstaat in einem Verfahren betreffend eine
von dem Staat auf die gleiche Weise wie von einer Privatperson ausgeübte
gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit ergangen ist, im Gerichtsstaat gegen
das ausschließlich für eine solche Tätigkeit verwendete Vermögen des Staates
vollstreckt werden, gegen den die Entscheidung ergangen ist,
a) wenn der Gerichtsstaat und der Staat, gegen den die
Entscheidung ergangen ist, die Erklärung nach Artikel 24 abgegeben haben,
b) wenn das Verfahren, das zu der Entscheidung geführt hat,
unter die Artikel 1 bis 13 fällt oder nach Artikel 24 Absätze 1 und 2
eingeleitet worden ist und
c) wenn die Entscheidung die Voraussetzungen des Artikels 20
Absatz 1 Buchstabe b erfüllt.
Kapitel V
Allgemeine Bestimmungen
Artikel 27
(1) Für die Zwecke dieses Übereinkommens
schließt der Ausdruck "Vertragsstaat" einen Rechtsträger eines Vertragsstaats
nicht ein, der sich von diesem unterscheidet und die Fähigkeit hat, vor Gericht
aufzutreten, selbst wenn er mit öffentlichen Aufgaben betraut ist.
(2) Jeder in Absatz 1 bezeichnete
Rechtsträger kann vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats wie eine
Privatperson in Anspruch genommen werden; diese Gerichte können jedoch nicht
über in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommene Handlungen (acta iure imperii) des Rechtsträgers
entscheiden.
(3) Ein solcher Rechtsträger kann in jedem
Fall vor diesen Gerichten in Anspruch genommen werden, wenn sie unter
gleichartigen Voraussetzungen in einem Verfahren gegen einen Vertragsstaat
hätten entscheiden dürfen.
Artikel 28
(1) Unbeschadet des Artikels 27 genießen
die Gliedstaaten eines Bundesstaats keine Immunität.
(2) Ein Bundesstaat, der diesem
Übereinkommen angehört, kann jedoch durch eine an den Generalsekretär des
Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß
seine Gliedstaaten sich auf die für Vertragsstaaten geltenden Vorschriften
dieses Übereinkommens berufen können und die gleichen Pflichten haben wie
diese.
(3) Ist eine Erklärung nach Absatz 2
abgegeben worden, so sind Zustellungen an einen Gliedstaat nach Artikel 16 an
das Außenministerium des Bundesstaats vorzunehmen.
(4) Nur der Bundesstaat ist befugt, die in
diesem Übereinkommen vorgesehenen Erklärungen, Notifikationen und Mitteilungen
vorzunehmen, und nur er kann Partei eines Verfahrens nach Artikel 34 sein.
Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden
auf Verfahren betreffend
a) die soziale Sicherheit,
b) Schäden durch Kernenergie,
c) Zölle, Steuern, Abgaben und Geldstrafen.
Dieses Übereinkommen ist auf Verfahren nicht
anzuwenden, die Ansprüche aus dem Betrieb von einem Vertragsstaat gehörenden
oder von ihm verwendeten Seeschiffen, der Beförderung von Ladungen und
Reisenden durch diese Schiffe oder der Beförderung von einem Vertragsstaat
gehörenden Ladungen an Bord von Handelsschiffen zum Gegenstand haben.
Dieses Übereinkommen berührt nicht die
Immunitäten oder Vorrechte, die ein Vertragsstaat für alle Handlungen oder
Unterlassungen genießt, die von seinen Streitkräften oder im Zusammenhang mit
diesen im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats begangen werden.
Dieses Übereinkommen berührt nicht die
Vorrechte und Immunitäten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Aufgaben der
diplomatischen Missionen und der konsularischen Vertretungen sowie der diesen
angehörenden Personen.
Dieses Übereinkommen berührt nicht
bestehende oder künftige internationale Übereinkünfte, die für besondere
Rechtsgebiete Fragen behandeln, die Gegenstand dieses
Übereinkommens sind.
Artikel 34
(1) Zwischen zwei oder mehreren
Vertragsstaaten entstehende Streitigkeiten über die Auslegung oder die
Anwendung dieses Übereinkommens sind auf Antrag eines der an der Streitigkeit
beteiligten Staaten oder im gegenseitigen Einvernehmen dem Internationalen Gerichtshof
vorzulegen, es sei denn, daß sich die Parteien auf
eine andere Art der friedlichen Beilegung einigen.
(2) Der Internationale Gerichtshof kann
jedoch nicht angerufen werden
a) wegen einer Streitigkeit, die eine
bereits in einem vor dem Gericht eines Vertragsstaats gegen einen anderen
Vertragsstaat eingeleiteten Verfahren aufgeworfene Frage zum Gegenstand hat,
bevor dieses Gericht eine den Voraussetzungen des Artikels 20 Absatz 1
Buchstabe b entsprechende Entscheidung erlassen hat,
b) wegen einer Streitigkeit, die eine
bereits in einem vor dem Gericht eines Vertragsstaats nach Artikel 21 Absatz 1
eingeleiteten Verfahren aufgeworfene Frage zum Gegenstand hat, bevor dieses
Gericht in dem Verfahren endgültig entschieden hat.
Artikel 35
(1) Dieses Übereinkommen ist nur auf
Verfahren anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten eingeleitet werden.
(2) Ist ein Staat Vertragspartei dieses
Übereinkommens geworden, nachdem es in Kraft getreten ist, so ist es nur auf
Verfahren anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten für den betreffenden Staat
eingeleitet werden.
(3) Dieses Übereinkommen ist nicht auf
Verfahren und Entscheidungen anzuwenden, die Handlungen, Unterlassungen oder
Tatbestände aus der Zeit, bevor das Übereinkommen zur Unterzeichnung aufgelegt
worden ist, zum Gegenstand haben.
Kapitel VI
Schlußbestimmungen
Artikel 36
(1) Dieses Übereinkommen liegt für die
Mitgliedstaaten des Europarats zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der
Ratifikation oder der Annahme. Die Ratifikations- oder Annahmeurkunden werden
beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.
(2) Dieses Übereinkommen tritt drei Monate
nach Hinterlegung der dritten Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft.
(3) Für jeden Unterzeichnerstaat, der das
Übereinkommen später ratifiziert oder annimmt, tritt es drei Monate nach
Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft.
Artikel 37
(1) Nach Inkrafttreten dieses
Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarats auf Grund eines mit
Einstimmigkeit der abgegebenen Stimmen gefaßten
Beschlusses jeden Nichtmitgliedstaat einladen, dem Übereinkommen beizutreten.
(2) Der Beitritt geschieht durch
Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats und
wird drei Monate nach der Hinterlegung wirksam.
(3) Notifiziert
jedoch ein Staat, der dem Übereinkommen bereits beigetreten ist, dem
Generalsekretär des Europarats einen Einspruch gegen den Beitritt eines anderen
Nichtmitgliedstaats, bevor dieser Beitritt wirksam geworden ist, so ist das
Übereinkommen auf die Beziehungen zwischen beiden Staaten nicht anzuwenden.
Artikel 38
jeder Staat kann bei der Unterzeichnung
oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde
das oder die Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Übereinkommen Anwendung
findet.
(2) Jeder Staat kann bei der Hinterlegung
seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde oder jederzeit danach
durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die
Geltung dieses Übereinkommens auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete
Hoheitsgebiet erstrecken, dessen internationale Beziehungen er wahrnimmt oder
für das er Vereinbarungen treffen kann.
(3) Jede nach Absatz 2 abgegebene Erklärung
kann in bezug auf jedes darin genannte Hoheitsgebiet
nach Maßgabe des Artikels 40 zurückgenommen werden.
Vorbehalte zu diesem Übereinkommen sind
nicht zugelassen.
Artikel 40
(1) Jeder Vertragsstaat kann dieses
Übereinkommen durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete
Notifikation für sich kündigen.
(2) Die Kündigung wird sechs Monate nach
Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam. Das Übereinkommen bleibt
jedoch auf die vor Ablauf dieser Frist eingeleiteten Verfahren und auf die in
diesen Verfahren ergangenen Entscheidungen anwendbar.
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und jedem Staat,
der diesem Übereinkommen beigetreten ist,
a) jede Unterzeichnung;
b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder
Beitrittsurkunde;
c)jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens
nach den Artikeln 36 und 37;
d) jede nach Artikel 19 Absatz 2 eingegangene Notifikation;
e) jede nach Artikel 21 Absatz 4 eingegangene Mitteilung;
f) jede nach Artikel 24 Absatz 1 eingegangene Notifikation;
g) jede Zurücknahme einer Notifikation nach Artikel 24 Absatz
4;
h) jede nach Artikel 28 Absatz 2 eingegangene Notifikation;
i) jede nach Artikel 37 Absatz 3 eingegangene Notifikation;
j) jede nach Artikel 38 eingegangene Erklärung;
k) jede nach Artikel 40 eingegangene Notifikation und den
Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird.
Zu Urkund
dessen haben die hierzu gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten dieses
Übereinkommen unterschrieben.
Geschehen zu Basel am 16. Mai 1972 in
englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen
verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt
wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Unterzeichnerstaaten
und allen beitretenden Staaten beglaubigte Abschriften.